OFF-KINO
: Filme aus dem Archiv – frisch gesichtet

Ein Sommer-Event: Charlie Chaplins Filme komplett bis Ende Juli, mit und ohne große Orchesterbegleitung, sowie einer Umsonst-und-draußen-Vorführung von „The Great Dictator“ (1940) am Brandenburger Tor. Mehr noch als Chaplins Langfilme dürften allerdings die Programme mit den oft unbekannteren Kurzfilmen von Interesse sein, bei denen man nachvollziehen kann, wie Charlie die Figur des kleinen Tramps mit Derby-Hut und Schnauzbart entwickelte, jene Verkörperung des einfachen Mannes, der sich in einem dauernden surrealen Kampf sowohl mit der Dingwelt als auch mit den Autoritäten der Gesellschaft befindet. Dass Chaplin immer wieder das kleine Sandkörnchen im Getriebe der modernen Zeiten darstellte, macht seine Filme bis heute populär. Chaplin Complete bis Ende Juli, Babylon Mitte; „The Great Dictator“, 15. 7., Brandenburger Tor

Wenn ein Film mit dem Dialogsatz „Am 21. September 1945 bin ich gestorben“ beginnt, erwartet man nicht unbedingt ein Werk für Kinder. In Japan ist das jedoch ein wenig anders, denn dort lief „Die letzten Glühwürmchen“, den Isao Takahata – neben Hayao Miyazaki der Mitbegründer und Leiter des berühmten Studio Ghibli – 1988 drehte, seinerzeit in einem Doppelprogramm mit Miyazakis Kinderfilm „Mein Nachbar Totoro“. Im Vergleich bietet Takahatas Zeichentrickdrama um den Teenager Seita und seine kleine Schwester Setsuko allerdings die deutlich schwerere Kost: Nach einem Bombenangriff ist das Haus der Familie abgebrannt, die Mutter ein verstümmeltes Etwas in blutigen Verbänden, der Vater längst im Krieg verschollen. Die Kinder müssen sich allein durchschlagen, scheitern jedoch und verhungern. Dass man „Die letzten Glühwürmchen“ auch als Kinderfilm begreifen kann, liegt an einem Motiv, das dem Film unterlegt ist: Das Überlebensdrama wird gekoppelt mit der Einforderung des Rechts auf ein kindgerechtes Leben auch mitten im Krieg. Seito versucht es seiner kleinen Schwester zu ermöglichen, stößt jedoch auf das Unverständnis der Erwachsenen, die vor allem mit sich selbst beschäftigt sind. (OmU, 15.–18. 7., Regenbogen Kino)

In Sam Peckinpahs „Ride the High Country“ (1962) spielen zwei der größten Westernstars ihre jeweils letzte Rolle. Joel McCrea und Randolph Scott finden sich hier bereits in der Spätphase des „Wilden Westens“ wieder und verkörpern zwei alt gewordene Haudegen, die bereits bessere Zeiten gesehen haben: Ex-Sheriff Steve Judd (McCrea) braucht bereits eine Brille und wird zu Beginn des Films fast von einem Auto überfahren. Sein früherer Kumpel Gil Westrum (Scott) arbeitet unterdessen mit falschem Bart als Buffalo-Bill-Kopie an einem Jahrmarktstand. Ein Jobangebot als Begleiter eines Goldtransports kommt für die beiden abgerissenen Westmänner also gerade richtig. Doch die Ziele von Judd und Westrum divergieren: Der eine möchte mit der neuen Tätigkeit sein Selbstwertgefühl stärken, der andere lieber das Gold in die eigene Tasche umleiten. Ein schöner Film über Freundschaft, verblassende Mythen und das Ende einer Ära. (OF, 20. 7., Arsenal 1) LARS PENNING