OFF-KINO
: Filme aus dem Archiv – frisch gesichtet

Als Ergänzung zur Berlin Music Week sieht sich ein Programm des Musikfilmfestivals In-Edit, in dem auch Danny O’Connors Doku „Upside Down – The Creation Records Story“ zu sehen ist. Hier wird die Geschichte des Labels, das der schottische Selfmade-Impresario Alan McGee in den 1980er Jahren im Umkreis einer Neo-Psychedelic-Bewegung gründete, aufgerollt: vom bescheidenen Beginn über die Zeit, als man zwar mächtig hip (etwa mit The Jesus & Mary Chain) war, aber nur Schulden anhäufte, bis zum Teilverkauf des Labels an Sony. Und urplötzlich hatte man mit Oasis auch einen Megaseller unter Vertrag. In diesem Zusammenhang fällt mir ein, dass ich immerhin die ersten elf Singles von Creation Records besitze und langsam mal nachschauen müsste, ob ich mir dafür nicht auch ein Schloss in Südfrankreich leisten könnte … (8. 9. im White Trash)

Eine lobenswerte filmhistorische Initiative hat man im Zeughauskino ergriffen, wo alle „Vorbehaltsfilme“ vorgestellt werden sollen. Jene Werke also, die in der Zeit des Nationalsozialismus entstanden waren und heute nur unter der Auflage vorgeführt werden dürfen, dass es dazu sowohl einen einführenden Vortrag als auch die Möglichkeit einer Publikumsdiskussion gibt. Dazu gehört auch Hans Steinhoffs Jugenddrama „Hitlerjunge Quex“ (1933): Ausgesprochen geschickt knüpft Steinhoff hier an die Geschichte des (kommunistisch-)proletarischen Films an und erzählt vom Arbeiterjungen Heini Völker, der liebend gern in die Hitlerjugend eintreten möchte, was einen schweren Konflikt mit seinem kommunistischen Vater (Heinrich George) zur Folge hat: Während Heini lieber die HJ-Hymne „Unsere Fahne flattert uns voran“ intoniert, nötigt ihn der Vater unter Prügeln zum Absingen der Internationale. Es geht also nicht nur um die Wahl der richtigen Ideologie, sondern auch um Generationskonflikte, jugendliche Rebellion und die „Bekehrung“ des Vaters im Angesicht seines schließlich von den Kommunisten umgebrachten Sohnes. (13. 9. im Zeughauskino)

Denis Villeneuves Filmdrama „Incendies“ (Die Frau, die singt) beruht auf dem gleichnamigen Theaterstück von Wajdi Mouawad, einem franko-kanadischen Autor libanesischer Herkunft, der dort die Lebensgeschichte einer Frau aus dem Nahen Osten mit der ganzen Wucht einer antiken Tragödie auf die Bühne gebracht hat. Der Film erzählt von der Suche eines Zwillingspaares nach Spuren ihrer Mutter, über die in einer theatralen Konstruktion alles Übel dieser Welt ausgekippt wird: Es geht um „Ehrenmord“, Massaker, Attentate, Gefängnis, Folter und Vergewaltigung. Doch „Incendies“ lediglich als „politischen“ Antikriegsfilm sehen zu wollen, greift zu kurz: Villeneuves Film handelt von Wegen, die gegangen werden, Versprechen, die gehalten werden, und von bitteren Wahrheiten, die erkundet werden müssen, damit sie helfen können, das eigene Leben in der Zukunft in Würde zu gestalten. Ein wenig pathetisch vielleicht, aber ein Film mit erheblicher emotionaler Gewalt, die einen nicht kalt lässt. (OmU, 8./10. 9. + 12.–14. 9. im Eiszeit) LARS PENNING