OFF-KINO
: Filme aus dem Archiv – frisch gesichtet

Eben noch planten die Freundinnen Yuki (Noë Sampy) und Nina (Arielle Moutel), die Ferien gemeinsam zu verbringen, doch nun droht ihre Gemeinschaft auseinandergerissen zu werden. Denn Yukis japanische Mutter möchte nach der Trennung von ihrem französischen Mann nach Japan zurück, und Yuki soll mit. Und wenn man erst neun Jahre alt ist, lässt sich da wenig machen. Oder? Ausgesprochen unaufgeregt erzählen die Regisseure Nobuhiro Sawa und Hippolyte Girardot (der auch Yukis Vater verkörpert) in „Yuki & Nina“ von einem dramatischen Veränderungsprozess im Leben eines Kindes. Dabei werden alle Beteiligten sehr ernst genommen: die Erwachsenen mit ihren vernünftigen Erklärungsversuchen und ihrer gelegentlichen Sprachlosigkeit, vor allem aber die Kinder, deren Erfahrungshorizont der Film als Perspektive übernimmt. „Man braucht sich doch nur wieder zu vertragen“ – dass Ninas simple Wahrheit bei Beziehungsproblemen nicht greift, gehört zu den Dingen, die die Mädchen erst lernen müssen. Auch ein liebevoll geschriebener und gebastelter Brief einer vermeintlichen „Liebesfee“, den die beiden an Yukis Eltern schicken, hilft nicht wirklich weiter. Als Ultima ratio erscheint den beiden schließlich das Weglaufen, die resolutere Nina schleppt die zögerliche Yuki mit in den Wald am Pariser Stadtrand. Die Kamera blickt aus Beobachterposition auf das Geschehen, überwiegend starr und in langen Einstellungen akzentuiert sie das Ausschnitthafte dieser Realität. Und ohne den Stil zu ändern, eröffnet sich plötzlich eine ganz neue Perspektive, eine veränderte Wahrnehmung, in der Yuki ungeahntes Selbstbewusstsein entwickelt und erkennt, dass Veränderung auch Chancen auf neue Erfahrungen birgt. (OmU, 25. 9., Brotfabrik)

1963 verfilmte Akira Kurosawa einen Roman des US-Autors Ed McBain und schuf einen seiner interessantesten Filme: Denn zum einen besitzt „Zwischen Himmel und Hölle“ eine spannende Kriminalhandlung, die um die Aufklärung einer Kindesentführung kreist, bei der der Kidnapper mit einem Ultimatum droht. Zum anderen wirft der Film eine Reihe von sozialen und moralischen Fragen auf: Dazu setzt Kurosawa die ärmliche Welt des Entführers in Kontrast zum Luxusleben eines Industriellen, von dem der skrupellose Kidnapper ein ruinöses Lösegeld fordert. Das eigentliche Dilemma aber ist ein anderes: Tatsächlich hat sich der Gangster geirrt – er hat nicht den Sprössling des Fabrikanten verschleppt, sondern den Sohn des Chauffeurs. Welchen Wert hat dessen Leben? (OmU, 27. 9., Arsenal 1)

Das Ende der Nouvelle Vague, vorgeführt von zwei seiner bedeutendsten Protagonisten: Vorwiegend im Bett liegend diskutiert Jean-Pierre Léaud in „La maman et la putain“ (1973) des früh verstorbenen Regisseurs Jean Eustache gemeinsam mit Bernadette Lafont lockere dreieinhalb Stunden lang sein Sexualleben und das Scheitern seiner politischen Träume. Ein ebenso treffendes wie eigenwilliges Porträt von älter werdenden jungen Leuten in den frühen 1970er Jahren. (Om engl.U, 23. 9., Arsenal 2) LARS PENNING