OFF-KINO
: Filme aus dem Archiv – frisch gesichtet

Um 1912 mussten die deutschen Filmproduzenten dringend auf die heftige Kritik reagierten, die ihnen von Theaterverbänden und Bildungsvereinen entgegengebracht wurde. Der Idee, dass Kino nur ein billiges Vergnügen mit moralisch verderblicher Wirkung war, galt es unbedingt entgegenzutreten. In der Folge nahm man eine Reihe renommierter Autoren unter Vertrag, deren Werke man mit den berühmtesten Theaterschauspielern der Zeit zu verfilmen gedachte. Zu den angesprochenen Schriftstellern gehörte auch der Kinoenthusiast und Trivialautor Hanns Heinz Ewers, der sich selbst gern als seriöser Dichter in der Tradition von E.T.A. Hoffmann und Edgar Allan Poe sah. Mit der von ihm geliebten Literatur der Schauerromantik kannte er sich tatsächlich gut aus, daher verwundert es nicht, dass Ewers bei der Suche nach einem Original-Filmstoff für den Bühnenstar Paul Wegener auf das von seinen Lieblingsautoren immer wieder verarbeitete Motiv des Doppelgängers stieß. So entwarf er das Exposé zu „Der Student von Prag“, einer Geschichte um den armen Studenten Balduin, der sein Spiegelbild an eine Mephistopheles-Figur verkauft, um mit neu gewonnenem Reichtum die Hand einer geliebten Comtesse zu gewinnen. Doch dem Spiegelbild, dem nunmehr verselbstständigten bösen Teil seines alten Ichs, kann Balduin nicht entrinnen. Ewers hatte dabei vor allem das spezifisch Filmische des Doppelgängermotivs erkannt: Dass der Hauptdarsteller innerhalb einer Szene mit sich selbst als Gegenüber spielt, konnte und kann die Bühne nicht leisten. Im Film hingegen schuf Kameramann Guido Seeber für diese Szenen Tricks und Doppelbelichtungen in nicht gekannter technischer Brillanz. Heute gilt „Der Student von Prag“ als der bedeutendste deutsche Film aus der Zeit vor dem Ersten Weltkrieg, der nicht zuletzt durch seine Spukgeschichte zum Vorläufer des deutschen „Horrorfilms“ wurde. 28./29. 1. Filmmuseum Potsdam

Literatur und Film zum Zweiten: Das Eiszeit Kino präsentiert am Montag eine Lesung mit der Schauspielerin Nicole Kleine und dem Autor Wiglaf Droste, die aus Raymond Chandlers Roman „Lebwohl, mein Liebling“ vortragen werden. Anschließend gibt es Dick Clements noir-inspirierte Verfilmung des Stoffs zu sehen, „Farewell, My Lovely“ (1975), in der sich Robert Mitchum als Privatdetektiv Philip Marlowe mit der ihm eigenen schläfrig-fatalistischen Art durch die schäbige Halbwelt von L. A. schlägt, wo ihm die Leute alles mögliche erzählen, nur nie die Wahrheit. 30. 1. Eiszeit Kino

Ihre Beziehungskrise verarbeitete die Regisseurin Nina Paley auf humor- und fantasievolle Weise in dem Animationsfilm „Sita Sings the Blues“ (2007). Dem eigenen Verlassensein, das Paley in einem schlichten Zeichenstil auf die Leinwand bringt, stellt sie dabei die reich ausgeschmückte Geschichte der indischen Göttin Sita entgegen, die in dem berühmten Epos „Ramayana“ ebenfalls so einige Probleme mit den Männern hat und ihre Gefühle hier durch die Bluessongs von Annette Henshaw zum Ausdruck bringt. 30. 1. Filmrauschpalast LARS PENNING