OFF-KINO
: Filme aus dem Archiv – frisch gesichtet

Über was unterhält man sich mit dem Papst in einer Psychoanalyse-Sitzung, wenn ein Dutzend Kardinäle lauscht und private Gespräche, gar über die Kindheit, die Mutter, Sexualität und Träume, absolut tabu sind? Es wird schwierig. Nanni Moretti, der in seinen oft bitteren Komödien und Satiren immer wieder die politischen und sozialen Strömungen Italiens in den letzten dreißig Jahren aufs Korn nahm, widmet sich in „Habemus Papam“ der Institution der römisch-katholischen Kirche und entwirft dazu das ultimative Worst-Case-Scenario: Der frisch gewählte Papst, ein Kompromisskandidat namens Melville (Michel Piccoli), fühlt sich dem Amt nicht gewachsen und weigert sich, auf den Balkon zu treten, wo er den Gläubigen als neuer Pontifex vorgestellt werden soll. Was nun? Ein Psychiater, Moretti spielt ihn selbst, wird bestellt, doch auch er kann nicht helfen. Bei aller Absurdität nimmt Moretti seine Figuren durchaus ernst, ebenso wie die Psychoanalyse. Weil der Regisseur die Menschen hinter all den roten Roben sucht, schickt er Papst und Kardinäle gewissermaßen in deren Kindheit und Jugend zurück: Während sich der mittlerweile aus dem Palast geflüchtete Papst sich an seine jugendliche Begeisterung für das Theater zurückerinnert, nötigt der Psychiater den verbliebenen Kardinälen ein Volleyballturnier auf, dem diese mit zunehmender Begeisterung nachgehen. Die Grundstimmung des Films bleibt dabei heiter mit einem Schlag ins Absurde – doch Morettis Kritik an überkommenen Traditionen versteht man auch ohne Schärfe. (1.–7. 3. Kino Kiste)

Das vom britischen Regieveteranen Robert Stevenson inszenierte Musical „Mary Poppins“ spiegelt in besonderem Maße wider, was man vielleicht als den „Disney-Touch“ bezeichnen könnte: die stupende Fähigkeit, in jeder Szene eines vollkommen homogenen Filmes ein Familienpublikum aller Altersstufen gleichermaßen anzusprechen. Eine oftmals etwas verlachte, tatsächlich jedoch große und auch etwas mysteriöse, sich kritischer Analyse wirkungsvoll entziehende Kunst, an der die meisten Disney-Konkurrenten regelmäßig scheitern. Dabei ist das Thema von „Mary Poppins“ denkbar einfach: Spiel, Fantasie und Musik. Und das bekommen die Kinder Jane und Michael durch das Kindermädchen Mary (Julie Andrews) geboten, das sie in sonnige Cartoon- und Musicalwelten entführt und – dank makelloser Tricktechnik – nicht nur kleine Kinder zum Staunen bringt, wenn sie aus ihrer magischen Reisetasche so unhandliche Dinge wie Hutständer und große Spiegel zieht. (4. 3. Arsenal)

Für seine letzte Regiearbeit ließ Fritz Lang 1960 einen geistigen Nachfahren seines Superschurken Dr. Mabuse auftreten: In „Die 1000 Augen des Dr. Mabuse“, einem Krimi, in dem absolut niemand ist, was er scheint, scheint der Regisseur vor den Gefahren totalitärer Regime zu warnen, indem er die ausgeklügelte Überwachungstechnik eines Hotels, die ein größenwahnsinniger Verbrecher für seine Zwecke ausnutzt, mit der Nazi-Epoche verlinkt. Der Schurke hat sogar einen Klumpfuß … (3. 3. Zeughauskino) LARS PENNING