OFF-KINO
: Filme aus dem Archiv – frisch gesichtet

Ende der 1970er Jahre entdeckte ich im Plattenladen eine Grabbelkiste: Dort warteten für läppische 5 DM musikalische Meisterwerke, zu denen sich offenbar kein Cover mehr gefunden hatte. So fiel mir die Platte „War Ina Babylon“ von Max Romeo & The Upsetters in die Hände. Ich hatte als Teenager zwar keine Ahnung, wer das war oder was für Musik mich da überhaupt erwartete – aber ich wagte das preiswerte Experiment. Und stellte alsbald erfreut fest, dass ich ganz offenbar die beste Reggaeplatte der Welt gekauft hatte. Gut, als Punkrockliebhaber kannte ich außer der Clash-Version von „Police & Thieves“ damals gar keinen anderen Reggae – doch zu meiner damaligen Einschätzung des von Lee Perry so gnadenlos sparsam produzierten Werks stehe ich 35 Jahre später immer noch. Es war und ist diese totale Reduktion auf ein musikalisches Grundgerüst, gepaart mit Romeos sozialkritischen Texten, die mich bis heute anspricht. Und um nun endlich mal zu einem Film zu kommen: Natürlich war ich hocherfreut, als ich kürzlich in Hélène Lees Dokumentation „The First Rasta“ den auch schon etwas betagteren Max Romeo entdeckte, der in seinem Garten nicht nur die Vorzüge ökologischer Landwirtschaft preist, sondern gleich noch eine A-cappella-Version des Songs „Chase the Devil“ von der besagten Super-Platte zum Besten gibt. Das wiegt dann allemal auf, dass Frau Lee in ihrer sehr sympathisierenden Doku über Leonard Howell, den Gründer der Rastafari-Bewegung, vor allem jene Aspekte der Bewegung in den Vordergrund rückt, mit denen sich fast jeder einverstanden erklären kann (antirassistisch, sozialrevolutionär, öko), und bei den Merkwürdigkeiten (mangelnde Frauenemanzipation, Verehrung des äthiopischen Despoten Haile Selassie als Messias) lieber nicht ganz so genau nachfragt. (OmU, 17.–23. 5., Moviemento, 21.–22. 5., Lichtblick)

Beim Übergang vom Stumm- zum Tonfilm hatten die Regisseure zwei Möglichkeiten: Jene, die es sich einfach machten, streckten vor den technischen Problemen mit den schwerfälligen neuen Apparaturen erst einmal die Waffen und filmten in der Folge eben statische Bühnenstücke oder Musicals aus der Guckkastenperspektive. Andere Regisseure hingegen begriffen den Ton als wirklich neues Gestaltungsmittel, das auch eine ganz neue Art der Inszenierung bedingte: Fritz Lang und sein Film „M“ fällt einem dabei ein, Rouben Mamoulian in Hollywood, aber auch Robert Siodmak, dessen zweiter langer Spielfilm „Abschied“ (1930) sich nicht nur durch die exzellente Kameraarbeit von Eugen Schüfftan auszeichnet, sondern eben auch durch einen innovativen Umgang mit dem Ton. Erzählt wird von den verschiedenen Bewohnern einer Familienpension, in der Bonvivants, Arbeitslose und Tänzerinnen einen Teil ihres Lebens verbringen. Aus den Räumen dringt ein heilloses Durcheinander von Klaviermusik, Telefonaten und Geschwätz – bis sich schließlich ein kleiner Plot entwickelt: Ein junger Mann hat eine neue Arbeit in Dresden angenommen, doch seine Freundin wird in Berlin zurückbleiben. (23. 5., Eva) LARS PENNING