Singende Hausfrau

Yma Sumac lag die halbe Welt zu Füßen – die meiste Neugierde scheint sie jedoch in Deutschland geweckt zu haben. Bereits 1989 drehte der Filmemacher Günter Czernetzky seine neunzigminütige Dokumentation „Yma Sumac, Hollywoods Inkaprinzessin“. Und soeben erschien im Verlag Neue Kritik die erste Monographie über Leben und Werk der peruanischen Sängerin (Frankfurt am Main 2001, 140 Seiten, 14 €, 25 Mark)

Der kleine, liebevoll gestaltete Band besteht aus einem Bildteil mit vielen, selten gezeigten Fotos, einer Dokumentation entlegener Textquellen und einem ausführlichen Essay der Musikjournalistin Anna-Bianca Krause. Krause schildert hierin ihre Spurensuche bis hin zu einem Interview, das sie mit der Sängerin kurz vor ihrem Berliner Konzert führte. Vor allem geht es ihr darum, an den wahren Kern hinter dem Legendengespinst um die Sängerin zu gelangen – ein aussichtsloses Unterfangen, wie sie abschließend gerne zugibt.

Krauses Resümee: „Am Stoff, aus dem diese Leben sind, wurde und wird heftig gestrickt, von den Künstlerinnen selbst, ihren Plattenfirmen, Managern, Ehemännern, Regisseuren oder Agenturen. Das haben Legenden nun einmal so an sich, dass man später nicht mehr zurückverfolgen kann, wo und durch wen sie entstanden sind.“ Es bleibt also nur das Werk, an das man sich halten kann.

Aber auch die Sumac-Alben werfen Fragen auf, die sich zweifelsfrei wohl nie mehr werden klären lassen. Wie hat man sich etwa die Zusammenarbeit zwischen der Sängerin, ihrem Ehemann, dem Komponisten Moises Vivanco, und dem jeweiligen Arrangeur vorzustellen? Czernetzky lässt in seinem Film eine Verwandte des 1998 verstorbenen Vivanco zu Wort kommen: „So kam es, dass sich ihr Talent und sein Genie zu Kunst vereinigten.“

Yma Sumac entgegnete 1991 im Spex-Interview auf meine Frage, ob es nicht sehr schwer sei, Musik für eine Fünf-Oktaven-Stimme zu schreiben: „Aber nein, das ist eher ein Problem des Arrangements.“ Anna-Bianca Krause gegenüber rückte sie den eigenen Anteil an den Kompositionen gerade: „Ich habe auf all meinen Platten mitkomponiert. Ich war nicht nur die Sängerin! Aber so ist sie eben, die Mentalität der Männer. Am Ende steht nur ihr Name drauf. Sie wollen nicht, dass wir wichtiger werden als sie.“

Immerhin scheint es Moises Vivanco – allen Ehekrächen und Skandalen zum Trotz – am besten verstanden zu haben, mit Yma Sumac zu kooperieren: Obwohl sie nach der Trennung von ihm immer wieder eigene Melodien auf Band festhielt, resultierte daraus nie ein neues Album. Diverse Versuche mit willigen Musikern und Produzenten scheiterten.

Am Ende bekam Anna-Bianca Krause doch noch einen Zipfel des Mysteriums namens Yma Sumac zu fassen: „Ja, ja“, sagte sie ihr, „ich bin eine sehr geheimnisvolle Frau. Man sieht Yma Sumac nicht oft auf der Straße, nicht weil sie geheimnisvoll sein möchte, sondern weil sie gerne zu Hause ist. Ich bin eine Hausfrau, nicht verheiratet, aber gerne zu Hause.“

Wer wissen will, wie sich die Stimme der singenden und bellenden Hausfrau mit neuesten Clubsounds verträgt, dem sei der Titel „Gopher Mambo“ auf dem Sampler „Electro Lounge“ empfohlen. RKR