Der Bulle von Riedering

Am Sonntag nimmt Maximilian Brückner seinen Dienst als „Tatort“-Kommissar in Saarbrücken auf (ARD, 20.15 Uhr). Zum Sockenholen fährt er aber noch heim zur Familie nach Bayern. Ein Porträt

Von Sabine Leucht

Ein Interview mit Maximilian Brückner macht unschlagbar gute Laune. Da reicht eine halbe Stunde Gespräch für einen schönen langen Tag. Mindestens. Da ist einfach dieser heiter-entspannte Brückner-Ton, die Art, wie er sich freut oder sich entschuldigt. Auch wenn die Inhalte standardisiert sind dieser Tage, wo der Run auf ihn macht, dass man bloß in schmalen Zeitfenstern zueinanderkommt. Doch wir haben Glück, und unser Fenster ist theoretisch offen – nur will er später rüber zu einer seiner Schwestern: Mittagessen.

Ja, Wurzeln hat er, dieser 27-Jährige aus dem 5.300-Seelen-Dorf Riedering im Chiemgau, tiefe, starke, feste Wurzeln. So etwas wie sein Hauptkommissar Franz Kappl, der von diesem Sonntag an im Saarland-„Tatort“ ermittelt, würde er nie tun: den Dialekt ablegen, den Vater verlassen, wo die Mutter gerade gestorben ist. Brückner sagt, und sagt es hörbar nicht zum ersten Mal: „Ich habe sieben jüngere Geschwister, die will ich aufwachsen sehen.“ Mit zwei Brüdern lebt er auf einem Bauernhof, während des Drehs in Saarbrücken fährt er oft nach Hause „zum Sockenholen“. Brückner findet es nicht schwer, Erfolg und ein ruhiges Leben zu verbinden: „Auch wenn es wie ein Märchen klingt: Man muss das nur machen.“

Wie ein Märchen ganz anderer Art klingt auch, dass er, der eigentlich Arzt werden wollte, von seinen Eltern mit 50 Mark zur Otto-Falckenberg-Schule geschickt worden ist, wo er seine Schauspielausbildung kurz unterbrach, um als Karl Moor in Schillers „Räubern“ auf der Bühne des Münchner Volkstheaters zu stehen. Da steht er noch immer oft – und meistens mit seinen besten Freunden, denn die „Jungen Riederinger Musikanten“ gehören zur Arbeit des Intendanten Christian Stückl wie das Bier zum Oktoberfest: Ob beim Salzburger „Jedermann“, wo Brückner seit 2004 den „Mammon“ als leichten Jungen mit goldbepudertem Hintern spielt, oder zur Eröffnung der Fußball-WM im Münchner Olympiastadion. Brückners Schwester Angelina, die Brüder Florian und Dominikus sind dabei, wenn bayerische Blasmusik sich aufmacht, zur ungestümen Weltmusik zu werden. Mit Wurzeln, versteht sich.

Bis er mit Dieter Wedel beim Fernsehen („Papa und Mama“) und als Willie Graf in „Sophie Scholl“ Karriere machte, hat Maximilian auch zu den „Musikanten“ gehört. Nun fährt Max Brückner seine Bass-Tuba eben an die Saar, in jenem alten Kombi mit Traunsteiner Kennzeichen, in dem Franz Kappl mit dem Stadtplan zwischen den Zähnen ein schnelles „Kruzifix“ herauspresst.

Kappl ist so jung wie sein Darsteller und löst in Saarbrücken Jochen Senfs Palu und sein Fahrrad ab. Ein wenig von der oft faden Beschaulichkeit nimmt Kappl dem SR-„Tatort“ auch, schließlich hat der smarte Bayer in Amerika gelernt, wie man alles besser macht: schneller, effektiver, weniger emotional. Doch schon in der ersten Folge beginnt sich Kappl zu assimilieren: „Hauptsach’, gut gesst“ lernt er vom Kollegen Stefan Deininger (Gregor Weber) – so läuft der Hase im Saarland.

Ein Spießer sei der Kappl schon, sagt Maximilian Brückner: „Wenn man mit 27 Hauptkommissar wird, muss man ziemlich ehrgeizig sein. Ich bin ganz anders: Ich bin ein fauler Sack.“ – Und nebenbei der jüngste „Tatort“-Kommissar aller Zeiten. Was bei jedem anderen kokett klänge, kauft man Maximilian Brückner einfach ab. Wegen seiner „Unschuld“, die Sherry Hormann vor drei Jahren so faszinierte, dass sie den Beinahe-Unbekannten zum Hauptdarsteller in ihrer Komödie „Männer wie wir“ machte. Mit seiner blondlockigen Nichtfrisur und seinem markanten Kinn hat Maximilian Brückner „kein Zeitgeistgesicht“ (Hormann). Er sieht auf andere Weise vertraut aus, eben wie ein großer Bruder – und wird in Film und TV gerne als der Gute und Bodenständige besetzt.

Ganz anders im Theater, das bei ihm nach wie vor in der ersten Reihe sitzt: „Dass wir mit dem „Brandner Kaspar“ im November nach Rio fahren, das ist für mich das Highlight des Jahres“, freut sich Brückner. Im „Brandner“ (der am 1. November um 19.45 Uhr auch im Bayerischen Fernsehen ausgestrahlt wird) spielt er den Boandlkramer, den Tod persönlich, als hyperaktives, übermütiges Rumpelstilzchen, „zahnluckert“, mit Gummigliedern und strähnigem schwarzen Haar.

Das mag er, der Brückner: Abgründe ausleben, sich spielend verändern. Er mag aber auch „die Trachtler beim Dorf“, Schafkopfen im „Alten Wirt“, die Berge und den See direkt vor der Tür. Vielleicht mag das alles der Kappl ja auch. Wenn er im dunklen Kämmerlein Tuba spielt oder die Einsamkeit des „Babba“ per Handy mit tiefstem Bayerisch kuriert, bekommt Kappls Coolness Brüche – und das steifbeinige Drehbuch einen lockeren Brückner-Touch. Denn hier hat er sich eingemischt, der glückliche Mensch aus Riedering, der den Zeitgeist nicht bedienen muss, um ihn zu überleben.