Ein Antiheld wie wir

Mit „Californication“ startet heute bei RTL2 eine US-Erfolgsserie im deutschen Fernsehen, deren Protagonist nicht gerade ein Sympathieträger ist: Hank Moody ist ein sexsüchtiger Soziopath

„Dexter“ heißt die andere US-Erfolgsserie, die heute bei RTL2 startet (22.55 Uhr) – und wie in „Californication“ steht auch hier ein Mann im Zentrum, der mit Sympathieträger unzutreffend beschrieben wäre: Dexter Morgan ist ein Serienkiller. Einen Serienhelden wie ihn hat die Welt noch nicht gesehen. Dexter ist das große Andere: eine menschliche Hülle, zu keinem echten Gefühl fähig. Ein ordentliches Monstrum. Die lohnende Besprechung der Serie, die neben „Californication“ die derzeit erfolgreichste des US-amerikanischen Bezahlsenders Showtime ist, steht auf der taz-Seite im Internet: www.taz.de.

VON CHRISTIAN BUSS

Dieser Sex macht keinen Spaß, dieser Sex ist harte Arbeit. Bei aller Liederlichkeit, die der in Los Angeles gestrandete New Yorker Autor Hank Moody (David Duchovny) ausstrahlt: Beim Vögeln umgibt ihn die Aura eines Profis.

So unzuverlässig er sich sonst auf ganzer Linie gibt – im Bett ist er doch ganz der Mann, dem die Frauen vertrauen. Eine Mischung aus Potenzbolzen, Psychotherapeut und Gynäkologe. Einer seiner vielen Sexpartnerinnen, die aufgrund ihres fortgeschrittenen Alters an ihrer Attraktivität zweifelt, attestiert er bei vorgehaltenem Hintern freundlich einen hohen Marktwert. Mit einer anderen Partnerin bespricht er all die operativen Verfeinerungen, die diese noch an ihrem Körper vornehmen will.

Interessanterweise ist dieser abgewrackte Soziopath Hank Moody ein ganz naher Verwandter des überkorrekten Schönheitschirurgen Dr. McNamara aus „Nip/Tuck“. Freiwillig oder unfreiwillig: Im US-Serienkosmos gibt es keine anderen männlichen Figuren, die so konkret mit den weiblichen Intimzonen und den dort praktizierten körperlichen Aufrüstungsstrategien konfrontiert werden. Doch während McNamara bei all den Brustoperationen und Vaginalverjüngungen, die er vorgenommen hat, in eine Art sexuelle Abstinenz verfallen ist, begibt sich Moody in „Californication“ in eine Spirale der Reizsteigerung. Hypersexualität ist ein freundliches Wort dafür.

Die Triebfixierung des Helden führt hier zu einem bizarren Spiel: Denn eigentlich will Hank Moody doch nur seine ehemalige Lebensgefährtin Karen (Natasha McElhone) zurückhaben und wieder mit ihr und der gemeinsamen Tochter (Madeleine Martin) zusammenleben. Seine Rückeroberungsstrategien werden aber regelmäßig von ihm selbst äußerst effizient unterwandert. Denn wann immer er mal wieder Anflüge von Zärtlichkeit mit Karen austauscht, lässt er sie danach Zeuge seines enthemmten Triebabbaus werden. So kann es schon mal vorkommen, dass der Sexsüchtige in der Villa seiner Ex mit einer anderen Frau ins Bett steigt, sich gemeinsam mit ihr dicht kifft und dann unisono ein teures Gemälde von Karens derzeitigem Lebensgefährten voll kotzt. Die Tyrannei der Intimität, hier riecht sie wirklich streng.

Von all den Negativ-Helden, die zurzeit im US-Fernsehen für Unruhe sorgen, gebührt diesem Hank Moody also durchaus besondere Aufmerksamkeit. „Californication“ wurde im Vorfeld ja schon als Los-Angeles-Variante von „Sex And The City“ gefeiert. Und dieses vergiftete Lob mag tatsächlich die subversive Qualität der Serie treffen: Denn tatsächlich ähnelt sich in den flott erzählten, wenn auch ästhetisch nicht sonderlich radikal inszenierten komischen Formaten ja das Streben der Hauptfiguren nach Mr. bzw. Mrs. Right: Man bringt sich lieber durch allerlei Versuchungen von der Spur ab, um lieber gar nicht erst den idealisierten Endzustand zu erreichen. Aber mal ganz ehrlich, Carries Mr. Big in „Sex And The City“ und Hanks Karen in „Californication“ sind letztendlich ja auch wirklich nicht erstrebenswert.

Interessanter sind in beiden Serien die Nebenfiguren – besonders in „Californication“. Denn während „Sex And The City“ trotz des reißerischen Titels ja nie mehr als eine künstlich in die Länge gezogene „Hen Night“ war, wo sich ein paar Hühner mit albernen Gesprächen die Zeit bis zu ihrer bewusst verschleppten Verheiratung vertreiben, stößt der Sexreigen um Hyperlibido Hank tief in die psychosexuellen Optimierungskreisläufe Südkaliforniens samt seiner tragikomischen Folgen ein. Und das eben mithilfe all dieser wunderbaren Nebenfiguren, denen Autor Tom Kapinos trotz plakativer Einführung stets eine gewisse Tiefe verleiht. Es geht um Porno-Starlets in der Baby-Pause oder um reiche Frauen nach ihrer chirurgischen Komplettüberholung.

Wie der Körper in einer voll technisierten Welt auf einmal wieder zum wichtigsten Kapital wird, wie Sexualität komplett in einer Wertschöpfungskette aufgeht – das hatte man zuvor so höchstens in „Nip/Tuck“ gesehen, jener Schönheitschirurgen-Serie, die ja in Florida spielt, dem anderen US-Territorium, wo der Alltag von einer ähnlich umfassenden Menschenparkpolitik geprägt wird.

Dass nun ausgerechnet der körperlich verwahrloste und beruflich erfolglose Hank Moody als großer Abräumer durchs kalifornische Wellness-Wonderland düst, in den USA seit gestern in der zweiten Staffel, ist dabei ein schöner Aberwitz, den die Serie genüsslich, zugegeben: manchmal auch zu genüsslich, ausspielt. Der Mann hat ja eigentlich nur ein Kapital, aber das setzt er bei seinen Testosteronblitztouren schonungslos ein: Er kann nicht lügen. Er ist nun mal das Schwein, dem die Frauen vertrauen.

„Californication“, von heute an immer montags, 22.15 Uhr, RTL2