„Keine dumme Idee“

An sich mag Peter Preston, der große alte Mann des „Guardian“, den Exjournalisten und Investor David Montgomery nicht. Doch im taz-Gespräch gibt’s positive Worte über den Gescheiterten

PETER PRESTON, 70, war zwanzig Jahre lang, von 1975 bis 1995, Chefredakteur des Guardian in London.

Gestern gab die „Berliner Zeitung“ ihren Neujahrsempfang, doch Nocheigentümer David Montgomery war nicht dabei. Peter Preston, legendärer ehemaliger Chefredakteur des liberalen britischen „Guardian“ und heute Kolumnist des Blattes, hat einmal gesagt, wenn Montgomery zur Tür hereinkomme, verlasse er, Preston, den Raum. Nun ist der Finanzinvestor im deutschen Medienmarkt gescheitert und hat seine Blätter verkauft. Ein Gespräch mit Peter Preston über die Fehler der Heuschrecken, die Zukunft der Zeitung in Deutschland – und wo David Montgomery trotz allem richtig lag.

taz: Mr Preston, ist David Montgomery über seine eigene Gier gestolpert?

Peter Preston: Nein. Was Montgomery in Deutschland passiert ist, ist allen großen Zeitungsketten in den USA und Großbritannien passiert: Sie stehen wegen zurückgehender Werbeeinnahmen und sinkender Auflagen massiv unter Druck.

War also sein Konzept – er wollte in Deutschland viele Verlage kaufen und eine Zeitungskette aufbauen – falsch?

Nein, an sich war das keine furchtbar dumme Idee: In den letzten zwanzig Jahren haben viele der früher familiengeführten Verlage in den USA und Großbritannien ihre Zeitungen verkauft – die nächste Generation hatte die Lust am Zeitungsgeschäft verloren und wollte einfach das Geld. Diese Situation gibt es auch in Deutschland. Und bis vor Kurzem waren Zeitungen ein höchst einträgliches Business.

Aber ist ein System tragfähig, bei dem dem frisch erworbenen Blatt die kompletten Schulden für den Kauf aufgebürdet werden, wie beim Berliner Verlag?

Montgomery und die anderen Kettenbauer haben durch Einsparungen und Synergien die Einnahmen ja zunächst deutlich steigern können: Bei 30 Prozent Rendite kann so ein Unternehmen dann schon gute Zeitungen machen und seine Schulden zurückzahlen – alle Beteiligten waren happy.

Warum ist Montgomery dann gescheitert?

Er ist recht spät in den deutschen Markt gegangen. Das Ganze sah zunächst trotzdem gut aus, die Rentabilität der Zeitungsverlage auf dem Kontinent war niedriger als in Großbritannien, die Blätter waren günstig zu haben. Er wollte sein in den USA und bei uns erprobtes Modell auch in Deutschland anwenden.

Dabei hat er vollkommen ignoriert, dass der deutsche Zeitungsmarkt ganz anders tickt und keiner mit ihm zusammenarbeiten wollte.

Ich bin bestimmt kein Freund von Montgomery. Aber auf kurze Sicht war das eine ziemlich gute Idee: Eine europäische Pressegruppe unter britischer Führung aufzubauen, die es mit Axel Springer aufnehmen kann. Denn Springer rollt doch den Markt auf, vor allem in Osteuropa.

Montgomerys Geschäftsstrategie ist dabei so umstritten, dass sogar die Aufsichtsräte seiner Mecom-Holding und sein Finanzvorstand gegen ihn rebellierten und – erfolglos – versucht haben, ihn abzusetzen.

Hier ist Montgomery meiner Meinung nach mal auf der Seite der Guten! Die anderen Vorstände und Aufsichtsräte wollten möglichst viel von Mecom verkaufen, um auf einen Schlag wieder rentabel dazustehen: Das ist typisches Finanzinvestorenverhalten. Montgomery dagegen setzt auf Teilverkäufe, um in den Rest investieren zu können, und will den Laden langfristiger zusammenhalten. Beides ist aber kein Grund zum Jubeln.

Was lehrt der Fall Montgomery für die Zukunft?

Das geht weit über David Montgomery hinaus. Wir sind erst am Anfang des Schwächerwerdens der Printmedien: Die Gewinne gehen zurück, das Internet stellt die Verlage vor enorme Herausforderungen. Es bringt überhaupt nichts, wenn traditionelle Zeitungen sagen, das hat mit uns aber doch gar nichts zu tun.

Sie kennen den deutschen Zeitungsmarkt: Wo liegen dessen Stärken und Schwächen?

Deutschland hat wie die USA keine Tradition großer nationaler Titel, wie wir sie mit Guardian, Times und so weiter in Großbritannien haben. Die Zukunft der deutschen Zeitungen liegt in der Region: You live or die by what you do in the region.

Ist mit dem Abschied von David Montgomery bei der Berliner Zeitung und Hamburger Morgenpost das Kapitel „Finanzinvestoren im deutschen Pressemarkt“ abgeschlossen?

In Deutschland überwiegen noch die kleinen, familiengeführten Verlage. Aber auch die brauchen Geld, viel Geld, um ins digitale Zeitalter zu investieren. Egal, ob Sie Zeitungsketten und große Verlagsimperien mögen oder nicht: Es wird ohne sie nicht gehen, denn das Geld für diese Investitionen muss ja irgendwo herkommen. Die kleinen Verlage allein sind dafür zu schwach. Ob da nun Finanzinvestoren oder jemand anders kommt, ist nicht so erheblich. Denn wer hat Montgomery seine deutschen Zeitungen abgekauft? Das war doch kein kleiner Verlag, sondern DuMont, der schon immer zu den größten Zeitungskonzernen in Deutschland gehörte und jetzt noch ein ganzes Stück größer wird.

INTERVIEW: STEFFEN GRIMBERG