CHRISTIAN BUSS DER WOCHENENDKRIMI
: Schmärbauch Project

Ob Saarbrücken, Stuttgart oder Leipzig – im „Tatort“ ist das Mundartliche längst auf dem Rückzug. Nur der Bayerische Rundfunk setzt dem neudeutschen Kriminalistentalk regionale Idiome entgegen. Und das nicht nur in seinem Münchner „Tatort“, sondern seit letztem Jahr auch in einer fürs Dritte produzierten Reihe mit Provinzkrimis aus unterschiedlichen Ecken des Freistaats.

Nach Würzburg ist jetzt das Allgäu dran. Hier zieht Kommissar Kluftinger seine schlurfigen Runden. Herbert Knaup gibt ihn als Grantler mit Schmärbauch und Schmähblick, der nur mit TV-Fernbedienung in der Hand seinen Wurstsalat essen will. Doch immer wieder reißt man ihn aus seiner Allgäuer Ruhe; mit neumodischem Schnickschnack wie Sushi (das muss er bei Freunden essen) oder Computerfirlefanz wie JPEGS (die schicken ihm Kollegen zu).

Gut, dass da in „Erntedank“ (Buch: Stefan Holtz und Florian Iwersen) wenigstens das zu untersuchende Verbrechen eine gewisse regionale Verbundenheit aufweist. Einem Kaffeefahrtenunternehmer wurden mit einer toten Krähe die Augen ausgestochen, weitere Morde folgen. Während der junge Kollege Maier (Johannes Allmayer) schon im neumodischen Profilersprech zur psychopathologischen Tiefenuntersuchung ansetzt, kommt der olle Kluftinger bald darauf, dass die Bluttaten auf Allgäuer Sagen verweisen.

Klufti, wie er zärtlich von seinen Machern genannt wird, ist zweifelsfrei der Behäbigste aller TV-Kommissare. Doch Regisseur Rainer Kaufmann hat sich in seinem Täterrätsel nach dem gleichnamigen Roman von Volker Klüpfel und Michael Kobr etwas einfallen lassen, um die überhaupt nicht behäbigen Gedanken des Provinzermittlers nachzuzeichnen: Immer wieder gibt es psychedelische Kamerafahrten durch den Allgäuer Hexenwald. Die Stimmung des Hinterwäldlerschockers mit Mundartflair schwankt deshalb – wie schön! – zwischen Bienzle-„Tatort“ und „Blair Witch Project“.

„Erntedank“, Sa., 20.15 Uhr, BR