Das World Wide Web: ein Netz voller Narren

DOKU „Verloren im Nachrichtendschungel“ eröffnet einen Journalismus-Themenabend (20.15 Uhr, Arte)

Die spannende Frage, wie Interessensgruppen im Netz subtil ihre Ideologien streuen, streift der Film nur

Das Internet ist einfach nur ein Hort für Spinner. Das glaubt zumindest Ted Anspach, mit dessen Dokumentation „Verloren im Nachrichtendschungel“ Arte heute seinen Themenabend zu den Grenzen der professionellen Medien eröffnet.

Geht es nach Anspach, bietet das World Wide Web all jenen eine Plattform, die irre sind und Verschwörungstheorien nähren wollen. Etwa Menschen, die von der Vorstellung besessen sind, dass die Anschläge vom 11. September 2001 auf das World Trade Center von der US-Regierung von langer Hand geplant worden seien oder dass hinter der Schweinegrippe geldgeile Pharmaunternehmen stecken.

Der Film begleitet zwei Informatiker, die Passanten mit Flugblättern bombardieren, die für einen alternativen Film zu „9/11“ werben. Anspach spürt auch einem nach, der gegen Impfstoffe für die Schweinegrippe agitiert. Ja, der Zuschauer lernt dabei auch, wie sich die ein oder andere steile These in klassischen Medien festsetzt. Aber hat es das nicht schon immer gegeben? ProSieben gibt sich hierzulande etwa in kindlicher Begeisterung von Illuminaten fasziniert. Und dass das Netz Spinnern ein noch größeres Forum bietet, ist gewiss nichts Neues.

Die eigentlich spannende Frage, wie Interessensgruppen im Netz subtil ihre Ideologien streuen, streift der mitunter unklare Film leider nur – und gibt sich viel zu lange mit Verrückten ab. Wirklich interessant ist, wie Leute mit einer politischen Agenda im Bürgerjournalismus ein ideales Schlupfloch finden. Etwa auf lepost.fr, einer mit der deutschen readersedition.de vergleichbaren Plattform, auf der nicht ausgebildete Journalisten berichten und analysieren, sondern die Leser selbst. Der Leiter dieser Seite berichtet, sie würden von „organisierten Gruppen förmlich überschwemmt“ und müssten ihre Plattform Reinigungsaktionen unterziehen, die teils „ekelhaft“ seien.

Arte zeigt, wer sich hinter antisemitischen Texten der besonders derben Art verbirgt: iranische Sympathisanten, die sich in Frankreich unter der Marke „Alter Info“ als Presseagentur ausgeben. Sie verbreiten vor allem Inhalte von al-Manar, einem der Hisbollah nahestehenden Sender. Paris hat die Webseite des Kanals verboten, „Alter Info“ speist ihre Inhalte über Umwege dennoch ins Netz ein.

Das hat zwar Brisanz, hat aber, anders als Regisseur Ted Anspach zu glauben scheint, nichts mit der Krise des Journalismus zu tun. So ist im Nachrichtendschungel auch niemand verloren. Er muss sich nur an Seriösem orientieren, anstatt sich im Mitmach-Internet zu verlieren.

DANIEL BOUHS