Eine „Neon“ im Tarnfleckmuster

BUNDESWEHR Das evangelische „JS-Magazin“ macht vor, wie man „kritische Solidarität“ mit Soldatinnen und Soldaten praktizieren kann, ohne dabei prüde oder moralisch zu wirken

Ein beachtenswert nüchterner Sonderling im tapferen Heer der Militärlektüren

VON JULIA HERRNBÖCK

Die Blattlinie definiert Dorothea Siegle, leitende Redakteurin, sehr klar: „Wir stehen für kritische Solidarität mit der Bundeswehr. Solidarisch mit den Soldaten als Menschen und kritisches Gegenüber für die Bundeswehr als Institution.“ Das JS-Magazin ist die „Evangelische Zeitschrift für junge Soldaten“ und sticht ins Auge. „Wir wollen alle Soldaten ansprechen, auf keinen Fall nur die evangelischen“, sagt Dorothea Siegle. Sie leitet das Magazin seit etwa einem Jahr und wurde für die konstruktive Kritik an den Strukturen der Bundeswehr bereits mit dem Journalistenpreis „Goldener Igel“ bedacht, der vom Verband der Reservisten der deutschen Bundeswehr vergeben wird. Vor allem in der Berichterstattung über Traumata und Versorgung der Angehörigen hat sie sich stark gemacht. Indem sie einen festen Ansprechpartner für Familienangehörige im Verteidigungsministerium gefordert hat – den es nun gibt, wie sie mit Stolz sagt. Thematisiert werden auch andere soziale Probleme: der Alltag von Frauen bei der Bundeswehr, Fernbeziehungen, Schwierigkeiten bei der Vereinbarung von Beruf und Familie, Homosexualität beim Bund oder Therapiemöglichkeiten für posttraumatische Belastungsstörungen.

Seit über 20 Jahren erreicht das Heft potenziell 250.000 Soldaten und Soldatinnen der deutschen Bundeswehr. Mit 21.000 Ausgaben monatlich, die über die Militärpfarrer verteilt werden und an öffentlichen Plätzen beim Bund ausliegen. Das JS-Magazin ist nicht der Militärpfarrei unterstellt, die Redaktion arbeitet ohne Einflussnahme oder Geldfluss durch die Bundeswehr.

Ethische Aspekte werden diskutiert und Gewissensfragen angeregt, wie etwa die nach dem Sinn von diversen Einsätzen oder sozialpsychologischen Aspekten in Gewissensfragen. Fragen, die junge Soldaten vielleicht niemandem stellen können: Bin ich bereit, im schlimmsten Fall im Gefecht jemanden zu töten? Sehe ich Taliban als Gegner oder als Menschen, die von Bundeswehrsoldaten getötet werden?

Eben diese Offenheit und Themenvielfalt macht JS zum beachtenswerten Sonderling unter den Militärlektüren. „Wir wollen kritisieren, was verbesserungswürdig ist. Und weil wir das nicht aus ideologischen Gründen tun, sondern durch Kenntnis, erfahren wir sehr viel Wertschätzung über unsere Berichterstattung. Von den Soldaten und der Bundeswehr“, sagt Siegle.

Im Unterschied zur katholischen Militärzeitschrift Kompass will man speziell junge Menschen erreichen. Deswegen kommen auch Musikrezensionen, Buchtipps und iPod-Gewinnspiele vor. Und Beziehungstipps: JS will für junge Soldaten einen Gegenpol zu den Bildern aus Pornos und MTV darstellen, Sexualität mit Respekt versehen. Und vermitteln, dass Frauen keine Objekte sind.

Man meint, ein neues Neon vor sich zu haben, wenn man das Magazin zum ersten Mal in den Händen hält. Buntes Layout, ansprechende Bilder und vor allem: auffällige Themen. Von Problemen im Bett, Schuldenhilfe für junge Menschen, Fotostrecken über „Urban Street Art“ oder ein Interview mit HipHopper Afrob über Rassismus im heimischen Fußball.

Über all dem scheint die Tatsache fast vergessen, dass JS keine Lifestyle-Broschüre, sondern ein evangelisches Medium ist. „Evangelische Alphabetisierung“ nennt Dorothea Siegle die Strecken mit unaufdringlichem Religionsbezug. In einem Heft rund ums Beten werden Songtexte von Samy Deluxe oder Thomas D als zweckdienlich vorgeschlagen. Woanders wird gefragt, was Ostern eigentlich gefeiert wird – und ob die Auferstehung glatter Betrug war. Alles sehr nüchtern.