CHRISTIAN BUSS DER WOCHENENDKRIMI
: Mandy, Sandy oder Candy

Alkoholismus im deutschen Fernsehkrimi? Schwieriges Thema! Dass nun ausgerechnet der Leipziger „Tatort“, wo Milieubilder sonst mit grobem Strich gezeichnet werden, starke Szenen zum Thema auffährt, erstaunt. So sehen wir das Ehepaar Moni und Uwe Fischer (Jule Böwe und Martin Brambach) beim fast harmonischen Nachmittagsumtrunk: Sie schmatzt das Kind mit nassen Küssen ab, draußen zwitschern die Vögel, er schüttet Weinbrand nach und seufzt: „Ach, ist das schön!“ So sanft, so grausam werden die falschen Verheißungen des Trinkens selten in Szene gesetzt.

„Schön ist was anderes“ erzählt von Illusionen und Lebenslügen, von Freundschaften und fatalen Arrangements: Im Kofferraum wird die Leiche des Personalchefs der Verkehrsbetriebe gefunden, einem Wessi, der von der über Jahre gewachsenen Solidarität seiner Mitarbeiter wenig hielt. Die alkoholkranke Moni wollte er rausschmeißen, Straßenbahnschaffnerin Mandy (Susanne Bormann) umgarnte er. Die Ehefrau (Corinna Harfouch) wusste von der Affäre ihres Mannes, spielt sie nach dessen Tod aber herunter: irgend so ’ne Mandy, Sandy oder Candy, ’ne Schlampe aus dem Osten eben.

Böse werden die soziokulturellen Grenzverläufe nachgezeichnet, die heute noch durch Leipzig verlaufen, die Charaktere sind oft Opfer ihrer Prägung. Die Dramaturgie (Regie: Judith Kennel) ist gewagt, trägt aber immer wieder in Situationen, in denen „Bella Block“-Autorin Katrin Bühlig mit trockenen Dialogen die Tragödie ihrer Figuren auf den Punkt bringt.

Da passt es ins Bild, dass erstmals in die Seelenkeller von Ermittler Keppler (Martin Wuttke) geblickt wird – der Alkohol trieb auch ihn einst an den Abgrund. Bleibt nur eine Frage in diesem bislang besten Leipziger „Tatort“: Wieso hat Keppler nach einer Nacht mit einer italienischen Touristin einen derart dicken Schädel, dass er eine Schmerztablette braucht? Hoffentlich kommt er nicht wieder druff.

Leipzig-„Tatort“: „Schön ist anders“; Sonntag 20.15 Uhr, ARD