STEFFEN GRIMBERG DER WOCHENENDKRIMI
: Avantgarde und Chaos

Es ist ein bis heute weit verbreitetes Missverständnis, dass die Marke „James Bond“ für actiongeladene Agententhriller steht. Gleich der fünfte Bond-Film entlarvte das Genre als das, was es wirklich ist: eine gnadenlose Parodie. Also vergesst „Austin Powers“, das gab es alles schon 1967 in „Casino Royale“.

Und zwar in einem derart psychedelisch-avantgardistischen Durcheinander mit Superstaraufgebot, dass man diesen Film getrost betrunken ansehen und zwischendurch halbe Stunden rausgehen kann. Die Handlung ist nur so lala wichtig und überhaupt bekannt: SMERSH will mal wieder die Welt vernichten, also muss James Bond ran.

Nur ist der hier schon seit fünfzig Jahren im Ruhestand, sieht nicht nur aus wie David Niven, sondern ist es auch – und spielt lieber Debussy. Weil SMERSH aber schon fast alle Agenten von Ost bis West auf dem Gewissen hat, lässt sich der mittlerweile geadelte Niven-Bond noch einmal bitten, setzt kurzerhand alle noch vorhandenen AgentInnen als weitere James Bonds ein, und los geht’s: Peter Sellers ist James Bond, Daliah Lavi und Terence Cooper auch, Barbara Bouchet als Tochter von Miss Monneypenny und Ursula Andress als Vesper Lynd sowieso. Für SMERSH werden Deborah Kerr, Jaqueline Bisset und ein verdammt junger Woody Allen aufgeboten, dazu Orson Welles als „Le Chiffre“, der, wenn das Drehbuch mal wieder ein Loch hat, Zaubertricks vorführt.

„Casino Royale“ hat sechs Regisseure verschlissen, Drehbuch-Hauptautor Ben Hecht starb, bevor das Manuskript fertig war, Billy Wilder übernahm und im Film mussten noch John Huston, George Raft und Jean-Paul Belmondo ran. Vor Jahren, als ich das Ganze zum ersten Mal sah, meinte ich irgendwo im Chaos auch John Wayne erspäht zu haben. Aber das war ein Irrtum. Nur die Indianer, die zur Musik von Bert Bacharach, Herb Alpert & the Tijuana Brass tanzten, die waren echt.

■ „Casino Royale“ (1967), Sa, 1.15 Uhr, ARD