Medien in Großbritannien: Neue Zähne für die Kontrolleure

In Großbritannien wird nach dem Skandal um "News of the World" debattiert, wie das Fehlverhalten von Medien zu ahnden sei. Die Diskussion ist der deutschen voraus.

Vorschläge her! Harriet Harmann triezt die britische Presse. Bild: reuters

BERLIN taz | Britische Zeitungsverleger können aufatmen: Niemand hat die Absicht, eine Mauer zu errichten, hinter der als Konsequenz aus dem Abhörskandal staatlich bestellte Pressekontrolleure über Sitte und Anstand wachen.

Zwar gibt die Leveson-Inquiry, die nach dem Telefonhacking bei Murdochs News of the World neue Spielregeln für die Presse vorschlagen soll, erst frühestens im September ihre Empfehlungen ab. Doch bereits jetzt ist klar, dass auch die Kommission von Lordrichter Brian Leveson am Prinzip der Selbstkontrolle für die Presse festhält und staatliche Aufsicht ablehnt.

Unterstützung für diese Position kommt nun auch aus der Politik. Die für Medien zuständige Frontfrau der Labour-Opposition, Kultur-Schattenministerin Harriet Harman, forderte am Dienstagabend die Presse auf, selbst die Initiative zu übernehmen. "Es würde sehr helfen, wenn die Chefredakteure der Zeitungen selbst mit einem Vorschlag antreten", sagte Harman.

Die Zeitungen sollten ihre Karten auf den Tisch legen und möglichst rasch eine Lösung präsentieren, damit ihnen nicht am Ende doch etwas anderes übergeholfen wird. Das neue System müsste für alle Blätter gelten und unabhängig sein, damit Chefredakteure gar nicht erst in die Versuchung kommen, "ihre eigenen Hausaufgaben zu bewerten".

Sanktionen müssen sein

Bereits vor Harman hatte Guardian-Chefredakteur Alan Rusbridger das aktuelle System der Presseselbstkontrolle als "in weiten Teilen unzureichend" kritisiert. Die Press Complaints Commission (PCC), die wie der Deutsche Presserat arbeitet, sei zwar geeignet, bei konkreten Beschwerden über Berichterstattung zu vermitteln. Mit ihrer Untersuchung der Phonehacking-Vorwürfe, die 2009 zum Freispruch der Murdoch-Blätter führte, sei die PCC aber klar überfordert gewesen, so Rusbridger.

"Ein neue Form der Presseregulierung muss Zähne zeigen können und ermächtigt werden, auf eigene Initiative einzuschreiten und zu ermitteln." Ohne die bislang bei PCC nicht bestehende Möglichkeit, "auch signifikante Sanktionen auszusprechen", gehe das schlicht nicht.

Damit ist die britische Debatte der deutschen meilenweit voraus - und geht bereits ans Eingemachte. Denn Rusbridger sprach auch aus, worum es nun gehen wird: um Geld zur Finanzierung des Ganzen. Und um die Gretchenfrage, wer gleichzeitig genügend von Zeitung und Journalismus versteht, um in einem neuen Regulierungssystem mit deutlich weiter reichenden Kompetenzen Verantwortung zu übernehmen.

In der PCC sitzen bislang Presse-"Laien" und Chefredakteure - wobei vor allem bei Letzteren Zweifel an ihrer Unabhängigkeit aufkommen. Denn anders als beim Deutschen Presserat, der über eine im Vergleich zu Großbritannien noch immer sehr vielfältige Presselandschaft wacht, geht es bei der PCC oft um Blätter, deren Chefredakteure selbst in dem Gremium vertreten sind.

Ein anderes Problem, das jegliche Neuregelung umtreibt, hat sogar einen Namen: Richard Desmond. Der Verleger, der sein Vermögen mit Pornoheftchen machte und sich dann das Boulevardblatt Daily Star schnappte, hatte vor der Leveson-Inquiry verkündet, bei der PCC und möglichen Nachfolgeinstitutionen nicht mehr mitzumachen.

Dem wiederum könnte mit einem Vorschlag von Guardian-Mann Rusbridger abgeholfen werden: Wer sich der Regulierung entziehe, verlöre die wie in Deutschland auch in Großbritannien übliche Bevorzugung bei der Mehrwertsteuer. Dieses Druckmittel wäre bei britischen Zeitungen sogar noch wirkungsvoller als hierzulande. Denn während in Deutschland die Presse statt 19 nur 7 Prozent zahlt, sinkt dieser Satz auf der Insel sogar auf null.

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