Hafencity ohne Gestaltungskonzept

Architektenrunde im Kultwerk West kritisiert einfalls- und konzeptlosen Gemischtwarenladen am Dalmannkai. Und balgt sich anschließend um Rechtmäßigkeit und Ästhetik der zum Grasbrook hinüber geplanten „Living Bridge“

Mit harscher Kritik an der Hafencity haben sich am Dienstagabend hochrangige Hamburger Architekten in Szene gesetzt. Der Anlass war unspektakulär: Ob Hamburg zum Architekturzoo verkomme, hatten die Veranstalter von Kultwerk West gefragt. Zur Diskussion geladen waren unter anderem die Architekten Hadi Teherani, Volkwin Marg und Jan Störmer.

Wenn auch die Frage, wie sich Hamburgische Identität architektonisch manifestieren solle, mit Wortgeklingel beantwortet wurde, waltete die Runde in puncto Hafencity durchaus ihres Amtes: Deutlich kritisierten die Experten das fehlende Konzept für den bereits zu einem Drittel bebauten Stadtteil. Von „zu klein parzelliert“ bis „Gemischtwarenladen“ reichten die Attribute.

„Man kann das, was derzeit am Dalmannkai passiert, noch nicht recht einordnen. Vielleicht wächst es ja noch zusammen“, sagte Teherani. Und von maritimem Flair sei – Hochwasserschutz hin oder her – nichts zu spüren: „Man hat einen Sockel unter die Häuser gesetzt, der höher ist als die Berliner Mauer, damit man nur ja nicht den Hafen erlebt!“, rief Marg erbost.

Als unsäglich empfanden die Experten auch die Tatsache, dass einzelne Häuserblocks, durch Lücken getrennt, dort hingesetzt worden seien. „Um ein Minimum an Hanseatischer Identität zu wahren, hätte man es wie in der Innenstadt halten müssen: Wand an Wand und bis ans Wasser heran bauen“, forderte Teherani. Dass ein einheitliches Konzept individuelle Häuser nicht unmöglich mache, zeigten Winterhude oder die Hochallee. „Stattdessen hat man in der Hafencity Baufelder erstellt, zerstückelt und an verschiedene Architektenbüros vergeben“, so Teherani. Das erzeuge Beliebigkeit.

Wenn man außerdem bedenke, dass im Kaispeicher A zunächst nicht die Elbphilharmonie, sondern ein Bürogebäude geplant gewesen sei, werde verständlich, dass kein Platz bleibe für die 2.000 Konzertbesucher, die sich ab Mai 2010 in die Umgebung ergießen werden.

Süffisant wurde der Diskurs, als man auf die „Living Bridge“ zu sprechen kam, die die Hafencity mit dem Kleinen Grasbrook verbinden soll. Kein gutes Haar ließ die Runde an deren Erfinder Teherani; Argumente wie das der unrechtmäßigen Bebauung eines europäischen Gewässers waren noch die harmloseste Variante. Die Elbe werde zerteilt, hieß es weiter, der Blick nach Osten verstellt – die Lamenti waren lang. „Alles Neider“, parierte Teherani. Eine Haltung, die man nicht teilen muss. Aber es gibt zu denken, dass der hernach aus dem Publikum kritisierte Volkwin Marg sofort in Schutz genommen wurde. Da war man fast geneigt, hinter den Anti-Teherani-Tiraden eine leichte Stutenbissigkeit zu wittern.

PETRA SCHELLEN