Bewährung für Ausraster im Jugendamt

45-jährige Mutter von zwei Kindern muss nach tätlichem Angriff gegen Sachbearbeiterin doch nicht in den Knast

Der Ausraster von Julia P. im Jugendamt Eimsbüttel war eine harte Nummer. Amtsrichter Andree Peters hielt im Juli vorigen Jahres mit Härte dagegen: Er wollte die Ex-Stewardess und zweifache Mutter dafür „generalpräventiv“ für zehn Monate in den Knast schicken. Gestern verhandelte das Landgericht unter Vorsitz von Richter Rainer Borwitzky den Fall in ruhiger Atmosphäre noch einmal.

Julia P. lebt von Leistungen nach Hartz IV. Seit der Geburt ihres zweiten Kindes 2005 gab es öfter Clinch mit dem Jugendamt. Das Amt verweigerte der heute 45-Jährigen einen Unterhaltsvorschuss, da sie den Namen des Vaters nicht preisgeben wollte. Das hatte zur Folge, dass ihre Kinder nicht krankenversichert waren. Immer wenn sie Hilfe brauchte, so ihr Eindruck, war die Sachbearbeiterin nicht zu erreichen. „Ich wurde schikaniert und herablassend behandelt“, sagt P.

Am 25. Oktober 2006 platzte ihr der Kragen. Da sie wieder niemanden erreichte, machte sie sich auf den Weg ins Jugendamt. Mitarbeiterin Annette J. machte ihr dort klar, dass keine Sprechstunde sei. Dennoch empfing Sachbearbeiterin Angelika H. die aufgebrachte Mutter. Im Gespräch rastete Julia P. aus. „Ihr tragt eure Macht auf dem Rücken der Kinder aus“, warf sie H. vor, und beschimpfte sie als „Patriarchen-Hure“. Dann schmiss sie ihr 740 Euro auf den Tisch, eine Rückzahlung des Unterhaltsvorschusses, deren Annahme H. verweigerte. „Ich habe sie ‚Patriarchen-Hure‘ genannt und sie geschubst“, räumt Julia P. vor Gericht ein „aber nicht geschlagen und geboxt“.

Die Jugendamts-Mitarbeiterinnen berichten indes Anderes. P. habe geschimpft, gepöbelt, und gestoßen, „so dass ich voll hingeknallt bin“, berichtet Angelika H. „Ich stand kaum wieder, da hat sie mich wieder geschlagen.“ Auch die Flucht in einen anderen Gang nützte nichts, weil P. ihr nachgesetzt habe. Sie sei wieder zu Boden gestürzt, diesmal habe P. sie an den Haaren hochgezogen und geschlagen. Auch Annette J. habe dabei Boxhiebe an den Arm und in den Bauch bekommen. Erst ein Kollege sorgte dafür, dass die Handgreiflichkeiten aufhörten.

Angelika H. war drei Monate lang arbeitsunfähig, weniger wegen physischer als wegen psychischer Folgen wie Angst- und Panikzuständen. „Ich dachte lange Zeit, ich krieg mich nicht mehr ein“, sagt H. Noch heute befindet sie sich in psychologischer Behandlung.

Julia P. hat sich inzwischen bei den Frauen entschuldigt und zahlt H. freiwillig Schmerzensgeld. Wohl auch ein Grund für das Gericht, das Urteil gestern zu reduzieren – auf sieben Monate Haft auf Bewährung wegen Körperverletzung. „Wenn lange die Drohung zehn Monate Haft im Raum steht, ist das schon eine Erleichterung“, sagt Verteidiger Mathias Huse zum Richterspruch. „Wir werden das Urteil wohl annehmen.“ KAI VON APPEN