Ringen um die Fünfjährigen

Kita-Träger kritisieren grüne Pläne, die Vorschule zur Pflicht zu machen. Rechtzeitig zu den Koalitionsverhandlungen gelangte ein geheimes Positionspapier an die Öffentlichkeit. SPD-Politiker wirbt für Bildungshäuser

Die Kita-Träger der Stadt sind nicht begeistert von den Plänen der GAL, die Vorschule für alle Kinder zur Pflicht zu machen. So verlören sie den ganzen Jahrgang der Fünfjährigen, die heute mehrheitlich eine Kita besuchen. Die Träger wollten zunächst mit den Grünen Unterhändlern Gespräche führen. Doch „per Indiskretion“, wie es heißt, sei im Hamburger Abendblatt ihr Positionspapier bekannt gemacht worden – einen Tag bevor heute bei den schwarz-grünen Koalitionsverhandlungen über Kitas, Bildung und Soziales gesprochen werden soll.

„Bildung für fünfjährige Kinder funktioniert nicht nach Fächerkanon und 45-Minuten-Takt“, heißt es in dem Schreiben, dass alle Wohlfahrtsverbände unterzeichnet hatten. Frühkindliche Bildung sei heute „überwiegend in den Kitas zu Hause“. Der verpflichtende Wechsel aller Fünfjährigen würde als „feindliche Übernahme“ verstanden und das Verhältnis von Kita und Schule „auf Jahre belasten“.

Vorschulen gibt es seit den 1970er Jahren. Zwischen dem Lager der Vorschulbefürworter und den Kita-Fans gibt es seit Jahren ein Tauziehen. Die Vorschulen gelten als verschulter, die Kitas als kindgerechter. Dafür ist an den Vorschulen das Personal akademischer, weil dort in der Regel SozialpädagogInnen mit Fachhochschulabschluss arbeiten, während in den Kitas die ErzieherInnen bislang überwiegend einen Fachschulabschluss haben. Die GAL entschied sich bereits im Jahr 2005 vor diesem Hintergrund programmatisch dafür, die Vorschule zu bevorzugen. „Viele Kitas schöpfen die Lernpotentiale nicht hinreichend aus“, hieß es in der damaligen Begründung.

Das sehen die Kita-Vertreter, die gestern nur ein kurzes Statement abgaben, anders. „Egal ob Vorschule oder Kita, uns ist wichtig, dass Eltern sich weiter frei zwischen beiden Angeboten entscheiden können“, schreibt die Sprecherin der Verbände, Gabi Brasch. „Kitas sind aktuell die besseren frühkindlichen Bildungseinrichtungen. Hier sollten keine Kompetenzen und Chancen verschenkt werden.“ Sollte es einen Systemumbau geben, müssten die Stärken beider Systeme verbunden werden. Brasch: „Dafür stehen wir Wohlfahrtsverbände gern als Gesprächspartner zur Verfügung.“

Der Konflikt ist Futter für die Opposition in Spe. „CDU und Grüne sollten die Kritik an ihren Planspielen ernst nehmen“, sagte die SPD-Familienpolitikerin Carola Veit. Die Mehrheit der Eltern entscheide sich heute für die Kita, zum Teil wegen des ganzheitlicheren Bildungsansatzes, aber auch, weil dort eine ganztägige Betreuung geboten werde.

Ihr Genosse Thomas Böwer hält die Vorschule für „nicht kindgerecht“ und prophezeit einen „Flächenbrand“. Da „Kindheit die wichtigste Bildungsepoche ist“, sei es besser, Kitas und Grundschulen unter einem Dach zu „Bildungshäusern“ zusammen zu fassen. KAIJA KUTTER