Hamburger Busse sehen alles

Die Videoüberwachung im Nahverkehr hält nach den S- und U-Bahnen auch in Hamburgs Bussen Einzug. Es gibt jedoch Zweifel, dass es der Hochbahn nur um die Sicherheit der Fahrgäste geht

Rund 3,4 Millionen Euro wird die Ausstattung der Hamburger Busflotte mit Videotechnik bis 2011 kosten. Über 500 der insgesamt 800 Fahrzeuge sind bereits umgerüstet worden. Die Kameras speichern die Daten auf je einer Festplatte pro Bus. Diese wird nach 24 Stunden wieder überspielt. Nur zur Verbrechensaufklärung wird auf dieses Material zurückgegriffen. Eine Online-Übertragung in die Betriebszentrale findet den Angaben der Hochbahn zufolge nicht statt. UG

VON UTA GENSICHEN

Die Hamburger Hochbahn soll noch sicherer werden. Dies teilte am Freitag das Vorstandsmitglied Ulrich Sieg mit. Zusätzlich zu den bereits mit Überwachungskameras ausgestatteten U-Bahnen werden nun verstärkt in den Bussen des Unternehmens Videokameras installiert.

„Wir wollen die positive Erfahrung aus dem U-Bahn-Bereich auf die Busflotte übertragen“, sagte Sieg. Denn seit die unterirdischen Züge mit Kameras ausgestattet seien, käme es zu deutlich weniger Gewaltdelikten und auch die Fälle von Vandalismus und Graffiti hätten abgenommen, sagte der Hochbahn-Sprecher.

So richtig neu ist der Plan, Hamburgs Busse videotechnisch zu überwachen allerdings nicht. Über 500 der insgesamt 800 Fahrzeuge von Hochbahn, Jasper und SBG seien schon mit Kameras ausgerüstet. Je nach Länge des Busses schnitten zwischen drei und sieben Geräten das Treiben der Fahrgäste mit – 24 Stunden lang.

Bis spätestens 2011 sollen auch die übrigen Busse durch neue Fahrzeuge mit bereits installierten Kameras ersetzt werden. Natürlich seien die Pläne des Unternehmens mit dem hamburgischen Datenschutzbeauftragten abgestimmt, versprach Sieg. Die wichtigsten Gründe für die dauerhafte Überwachung der Fahrgäste seien die „Verbesserung des subjektiven Sicherheitsgefühls“ sowie die „präventive Wirkung“.

Doch Prävention ist nach Ansicht des Kriminologen Nils Zurawski ein schwer messbarer Faktor. Schließlich könne man einen Kriminellen ja nicht befragen, ob er sich durch die Anwesenheit einer Kamera von einer Straftat hat abbringen lassen. „Nur die Kriminalitätszahlen geben darüber Auskunft“, sagt Zurawski.

Dass die Hochbahn behauptet, aufgrund der Einführung von Kameras in U-Bahnen vor fünf Jahren seien die Gewaltdelikte zurückgegangen, hält er für einen Scheineffekt. Genauso gut könne die gleichzeitige Abnahme von Straftaten in den Stadtteilen für die sinkenden Zahlen verantwortlich sein. Zurawski: „Sicherheit verkauft sich eben immer gut.“

Viel eher glaubt der Überwachungsexperte, dass die Kameras zu einer verstärkten Sauberkeit beitragen sollen, um so die Fahrgastzahlen zu erhöhen. „Die Gäste setzen sich schließlich nicht gerne auf zerschlitzte Sitze“, sagt Zurawski. Dass Kameras hier etwas zu bewirken scheinen, zeigt die Statistik der Hochbahn.

Gab es vor der Videoüberwachung in U-Bahnen jährlich etwa 35.000 Fälle von Vandalismus, sank die Zahl bis 2007 auf rund 9.000 Fälle. Gleichzeitig aber verdoppelten sich die Fälle in Bussen von rund 12.000 auf 22.000. Auch dort sollen die neu installierten Kameras Vandalismus und Schmiererei verhindern.

Angst um seine Privatsphäre müsse dabei eigentlich niemand haben, betont die Hochbahn. In jedem Bus gebe es demnach eine Festplatte, die nach 24 Stunden automatisch überschrieben werde. „In anderen Städten wird das bis zu mehreren Wochen gespeichert“, sagt Zurawski und lobt die Hamburger Regel als „relativ erfreulich“.

Außerdem gebe es keine Online-Übertragung der aufgezeichneten Daten – es sitzt also kein Wachmann vor einem Monitor, der den Fahrgast beim Lesen oder Naseputzen beobachtet. Einzige Ausnahme sei der so genannte Überfallruf. Den können Busfahrer bei Gefahr auslösen, um so automatisch die Videobilder aus dem Bus in die Betriebszentrale zu übertragen.

Trotz der Maßnahmen zum Schutz der Privatsphäre und trotz der relativ kurzen Datenspeicherung von 24 Stunden, mahnt Nils Zurawski aber zu einer gesunden Skepsis gegenüber der Überwachung im Nahverkehr. Schließlich könnten die Festplatten auch in falsche Hände geraten.

„Jede dieser Technologien ist missbrauchsanfällig“, sagt Zurawski über jegliche Arten von Videoüberwachung. Deshalb fordert er mehr Transparenz seitens der Überwachenden und mehr gesundes Misstrauen bei den Überwachten: „Die Leute wissen oft viel zu wenig über die Kameras.“