hamburg heute
: „Ästhetik und Moral Hand in Hand“

Der Philosoph Harald Lemke stellt sein Buch „Die Weisheit des Essens“ vor

taz: Herr Lemke, was hat die Philosophie mit dem Magen zu schaffen?

Harald Lemke: Zwar werde ich dafür noch immer ausgelacht, aber ich sage: Sie hat verdammt viel mit dem Essen zu schaffen. Gesundheit, Gender-Geschichten, kocht er, kocht sie, globale Ernährungsprobleme, ein gerechter Weltmarkt, ökologische Landwirtschaft: Das sind alles Themen, die durch den Magen gehen und philosophisch relevant sind.

Sie denken da an eine Ethik des Essens. Also gerechter essen statt besser essen?

Das schließt sich doch nicht aus, im Gegenteil. Gerade beim Essen gibt es den philosophischen Glücksfall, dass Ästhetik und Moral Hand in Hand gehen. Das ist bei der Slow-Food-Bewegung der Fall, aber auch in der Alltagspraxis, wenn jenseits traditioneller Geschlechterrollen gemeinsam gekocht und genossen wird.

Und Fast-Food ist der große Feind?

Ich habe tatsächlich mal von der Fast-Food-Philosophie gesprochen, die auf Platons Einstufung des Essens als eine Nebensächlichkeit zurückgeht und sich heute in die Form einer „McDonaldisierung“ kleidet: An die Stelle des gemeinsamen Kochens tritt das einsame Konsumieren.

Klingt ganz schön traurig.

Vor einem kulturpessimistischen Lamento sollen wir uns allerdings hüten. Schließlich steckt in den Schnell-Restaurants auch eine Errungenschaft, nämlich die Demokratisierung des alten Privilegs, außer Haus essen zu können. INTERVIEW: MAP

19 Uhr, Chinesisches Teehaus Yu Yuan, Feldbrunnenstraße 68

Fotohinweis:HARALD LEMKE, 43, lehrt an der Uni Lüneburg