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: „Wie wir verschwinden“

Mirko Bonné über das Ungenügen, die Liebe und den Tod von Albert Camus

Es ist schwierig – und das ist Erfrischende – Mirko Bonné auf irgendetwas festzulegen. Der Mann schreibt Gedichte, er schreibt Romane. Er schreibt über eine Expedition in die Antarktis und über den Abschied von einer Liebe (und für die taz nord über das Leben auf dem Lande). Die Stoffe haben ihm immer wieder, die Umsetzung oft Lob eingebracht, bei seinem neuen Roman, „Wie wir verschwinden“, ist es fast einhellig.

Es geht darin um eine Reise in die Vergangenheit, die Rückschau eines Rekonvaleszenten, den der Brief eines Jugendfreundes erreicht. Raymond, der Ich-Erzähler, und sein Freund Maurice waren als Jungen Zeugen des tödlichen Autounfalls von Albert Camus im Dorf Villeblevin. Die beiden, und das mag man jetzt thematisch nicht für sonderlich originell halten, liebten das gleiche Mädchen. Aber Bonné schneidet diesen Kampf gegen den der Töchter Raymonds, die in der Gegenwart mit dem Möglichen, dem Ungenügen und dem Abfinden ringen.

Es gibt Passagen, in denen die Dialoge holpern, und es gibt immer wieder solche, deren sprachliche Klarheit und Schlichtheit beglückend sind. So etwa die Stelle, in der Bonné schildert, wie sich langsam die Opfer und Zeugen des Autounfalls, bei dem Camus zu Tode kommen wird, der späteren Unfallstelle nähern. „Die Vögel schenkten dem zufälligen Aufeinandertreffen keine Beachtung. Sie gaukelten durch den Nieselregen mit der gleichgültigen Zärtlichkeit jener Kinder, die für niemanden da waren, weil sie sich liebten“, heißt es da. Und Camus? Der taucht als Figur gar nicht auf, wohl aber als Haltung: Eben jenes Sisyphos, der vor der Herausforderung steht, das Tragische anzunehmen. GRÄ

Mirko Bonné liest heute um 20 Uhr im Literaturhaus, Schwanenwik 38