HAMBURGER SZENE
: Himmlische Ruh’

Wiederholt schwebt die Frau Ausländerbehördenbeamtin an allen Wartenden vorbei und verliert sich in der Ferne

Die Ausländerbehörde ist immer einen Ausflug wert. Da wird der Mensch einmal als Mensch behandelt und nichts als das. Mit Aristoteles: als Wesen, das Zeit hat. Wer die nicht hat, wer sich vom Leben placken und hecheln und Beine machen lässt, für den ist die Ausländerbehörde die allererste Adresse, um sich wieder zu besinnen. Aufs Wesentliche, auf die Zeit. Dafür hat das Amt ochsenblutfarbene Plastikstuhlreihen aufgestellt.

Wer sich setzt, sinkt stracks in sich selbst zurück und schweigt seinen Nächsten an, ich meine Begleitung, der Vater die Tochter, die eine Schwester die andere. Vielleicht aus Ehrfurcht vor dem großen Ganzen, dem wir ausgeliefert sind und das wir nicht verstehen. Wir werden aufgerufen, zurückgeschickt, wieder aufgerufen und erneut zurückgeschickt. Und wiederholt schwebt die Frau Ausländerbehördenbeamtin an allen Wartenden vorbei, einen Gang entlang, verliert sich in der Ferne und wird ein Weilchen nicht gesehen. Einmal habe ich es gewagt, ihr in gebührlichem Abstand zu folgen. Ich spürte gleich, dass ich einem Geheimnis auf der Spur war, dass ich mich dem heiligen Bezirk näherte, wo das Leben zu sich selbst kommt. Ich spürte, wie mit jedem Schritt die Zeit stockte, zäher, statisch, wie die „Zeit zum Raume“ wurde, als ich schließlich vor einer geschlossenen Tür stand: „Teeküche“ las ich daran. MAXIMILIAN PROBST