Der Fall des Obama von Altona

KARRIEREKNICK Bülent Çiftlik, Sohn türkischer Einwanderer, war ein SPD-Medienstar. Nun stürzte der „Obama Altonas“, weil er seinem Parteichef etwas verschwieg

Ein einziger versäumter Anruf beendete vorläufig die Karriere des SPD-Hoffnungsträgers

VON MARCO CARINI

Sein Aufstieg kam schnell, sein Fall rasant. Bülent Ciftlik, 37, Sohn türkischer Einwanderer, schien eine steile Parteikarriere gewiss. Seit 2004 war der Politologe Sprecher der Hamburger SPD, 2008 zog er nach engagiertem Wahlkampf, in dem er hunderte Hausbesuche absolvierte, überraschend in die Bürgerschaft ein. Dort wurde der Newcomer gleich SPD-Fachsprecher für Migration und Ausländer.

Wie kaum ein anderer Nachwuchspolitiker verstand er es, sich öffentlich zu präsentieren. Als Obama von Altona wurde der karrierebewusste Deutschtürke, der dem US-Präsidenten nicht unähnlich sieht, in den Medien gefeiert. Die Frauenzeitschrift Brigitte beschrieb ihn – auf der Suche nach Deutschlands schönstem Politiker – gar als Mann „zum Niederknien“.

Vergangenen Freitag nun folgte der tiefe Fall: Parteichef Egloff beurlaubte ihn als Parteisprecher. Seit dieser Woche lässt Çiftlik auch sein Amt als migrationspolitischer Sprecher ruhen.

Es war ein einziger Fehler, der den Karriereknick des 37-Jährigen auslöste. Als er erfuhr, dass die Staatsanwaltschaft ihn seit März verdächtigte, eine Scheinehe zwischen einem Türken und einer Deutschen vermittelt zu haben, verpasste es der Beschuldigte, Parteichef Ingo Egloff von den Ermittlungen zu informieren.

„Das gab den Ausschlag für die Beurlaubung“, sagt der Parteichef heute und gibt damit der Hoffnung Çiftliks einen Dämpfer, ins Amt zurückzukehren, sollte sich der Verdacht als haltlos erweisen. Nur SPD-Fraktionschef Michael Neumann war über die Ermittlungen informiert worden – von Bürgerschaftspräsident Bernd Röder, bei dem die Staatsanwaltschaft einen Antrag auf Aufhebung der Immunität des Abgeordneten stellte.

Die Ermittlungsbehörde hängt die Beschuldigungen gegen Çiftlik offiziell niedrig. „Wir sprechen nur von einem Anfangsverdacht, nicht etwa von einem dringenden Tatverdacht“, betont der Sprecher der Staatsanwaltschaft, Wilhelm Möllers. Dass die Ermittler trotzdem am vergangenen Freitag gleich die Privatwohnung Çiftliks durchsuchten, ist für Möllers „kein Sonderfall“. „Durchsuchungen gehören zum Standardrepertoire staatsanwaltschaftlicher Ermittlungen“, erklärt er.

Çiftlik beteuert seine Unschuld. Weder führe das Paar, bei dessen Hochzeit er Trauzeuge war, eine Scheinehe noch habe er die Beziehung vermittelt. Das will er beweisen, sobald ihm Einsicht in die Ermittlungsakten gewährt wird. Ob der einstige Hoffnungsträger der Hamburger SPD dann wieder für seine Partei sprechen darf, ist ungewiss.

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