Union uneins über Primarschule

CDU-PARTEITAG Bei der Aussprache zur Bildungspolitik musste Ole von Beust viel Kritik einstecken. Elternwahlrecht nach Klasse 3 nur für die Übergangsjahrgänge beschlossen

Die Partei stehe vor einem „bildungspolitischen Scherbenhaufen“, monierte ein Pensionär

VON KAIJA KUTTER

In einer dreistündigen Redeschlacht hat Hamburgs CDU auf ihrem kleinen Parteitag über die Primarschule gestritten. Am Ende wurde ein Antrag verabschiedet, der unter anderem für die jetzigen 1. und 2. Klassen sowie für den nächsten Einschulungsjahrgang ein Elternwahlrecht nach Klasse 3 vorsieht. Vorausgesetzt, es werde „das gewünschte Profil an der eigenen Primarschule nicht angeboten“. Eine solche Übergangsregelung ist bereits im Koalitionsvertrag erwähnt.

Hinter den „Profilen“ stehen Spezial-Angebote der Gymnasien ab Klasse 5, wie Latein, Englisch als Fachsprache oder Chor. Sollte es nicht gelingen, sie an den Primarschulen zu verankern, möchte die CDU eine „Verlängerung dieses Rechtsanspruchs“ bei der GAL einfordern.

Zum Beginn des Parteitags hielt der Bildungsforscher Jürgen Tillmann einen Vortrag, in dem er darlegte, dass die Primarschule aus wissenschaftlicher Sicht sinnvoll sei. So schneidet Hamburg bei Pisa schlecht ab, hat viele Bildungsverlierer und mit dem Faktor 4,5 die bundesweit höchste Abhängigkeit des Bildungserfolgs von der sozialen Herkunft. Dagegen habe Berlin, wo es die sechsjährige Grundschule gibt, bessere Pisa Werte.

Doch das beeindruckte die darauf ans Podium tretende Schar der Kritiker wenig, die den Erhalt der Traditionsgymnasien ab Klasse 5 im Fokus hatte. Besonders scharf griff die alte Garde der CDU-Schulpolitiker die Reform an. Die Partei stehe vor einem „bildungspolitischen Scherbenhaufen“, monierte Pensionär Friedjof Kelber. Die CDU sei „weichgespült“ und zeige, dass sie „bildungspolitisch unterlegen ist“.

Noch härter ging Ingeborg Knipper mit von Beust ins Gericht. „So schaffen sie keinen Schulfrieden“, mahnte die langjährige schulpolitische Sprecherin. „Wer überzeugt ist, dass leistungsstarke Kinder nicht behindert werden sollen, der darf zu dieser Reform nicht Ja sagen“. Tosender Applaus unter den rund 450 Mitgliedern.

Darauf trat Ole von Beust ans Podium und schaffte es, die Stimmung im CCH-Saal zu drehen. Knippers und Kelbers Positionen erinnerten ihn an die 1970er und 80er Jahre, in denen die CDU keine Mehrheit erzielt habe. „Wenn die CDU in Hamburg regieren will, braucht sie Partner“. Er könne inhaltlich die Position teilen, wenn denn das System der Trennung der Kinder nach Klasse 4 ein Erfolg gewesen wäre. Von Beust: „Ich sage, es ist kein Erfolg gewesen.“

Dabei outete sich von Beust als jemand, der von diesem System profitiert hatte. Die Aufnahmeprüfungen zum Gymnasium habe er mit einem „mulmigen Gefühl“ bestanden. Später hätten die Lehrer seinem Vater erzählt, „die Leistungen waren nicht so doll, aber den Sohn des Bezirksamtsleiters konnten wir doch nicht durchfallen lassen“.

Dass er als Kind vom Gymnasium abgelehnt worden sei, berichtete daraufhin der CDU-Abgeordnete und Lehrer Wolfgang Beuß. „Mein Vater war nicht Bezirksamtsleiter.“ Danach habe er einen „mühevollen Weg“ gehen müssen. Und die Abgeordnete und Unternehmerin Özkan Aygül sagte, ihre Lehrerin hätte ihr damals allenfalls Realschule zugetraut, vom Vater sei sie aber trotzdem aufs Gymnasium geschickt worden. Eltern anderer Migrantenkinder hätten nicht diesen Mut. Zum Schluss kam noch ein Bekenntnis vom Sozialsenator Dietrich Wersich. „Ich war auf dem Johanneum. Ich liebe diese Schule.“ Als Unterstützer für den Primarschulprotest könne er aber nicht dienen. „Ich kam erst in der 7. Klasse dorthin.“