Maschinenfrühling

MUSIKBUCH Als Schriftsteller gilt Dietmar Dath als genial, aber schwer verständlich. Jetzt hat er gemeinsam mit dem „Kammerflimmer Kollektiv“ sein erstes „Musikbuch“ gemacht

Im Unterschied zum Hörbuch gehen Text und Musik ein inniges Verhältnis ein

VON ROBERT MATTHIES

Als „drastisch“, „provozierend“, schwer verständlich und dennoch irgendwie „genial“ gelten die Texte von „Deutschlands Schreibmaschine“ (de:bug) Dietmar Dath, seien es seine journalistischen, literarischen oder essayistischen Eingriffe, mit denen Dath jegliche Grenzen von Gattungen und Vorstellungen zu unterwandern, überfliegen und durchkreuzen trachtet.

Wer etwa einigermaßen verstehen will, wie der Ex-Chefredakteur der Spex, Ex-F.A.Z.-Redakteur und bekennende Marxist in der Streitschrift „Maschinenwinter“ und dem Science-Fiction-Epos „Die Abschaffung der Arten“ Marx und Darwin zusammendenkt, ist gut beraten, mit ein wenig Konzentration ans Werk zu gehen – und ein paar Nachschlagewerke zur Hand zu haben. Falls man doch nachlesen muss, was der Minkowski’sche Gitterpunktsatz noch mal genau besagt.

Dabei nutzt derlei theoretische Unterfütterung und „absurd viel“ (Spiegel) Wissen keinesfalls nur der eitlen Geste des Autors. Der Sachverhalt ist „tatsächlich so kompliziert“. Und von „China, Anthroposophie oder etwa Fußball“ wiederum versteht Dath nichts: „Deshalb kommt das nicht vor.“

Mit seinem neuen Projekt jedenfalls reißt Dath gemeinsam mit dem mit allen Wassern des Jazz, des Filmsoundtracks, des Soul und des Ambient gewaschenen Karlsruher „Kammerflimmer Kollektiv“ erneut Grenzen ein. „Im erwachten Garten“, ein bislang unveröffentlichter „Spiegeltext“ aus dem Manuskript zu „Die Abschaffung der Arten“, der „einen geheimen Urtext“ hinter dem Roman freilegt, präsentiert sich als „Musikbuch“. Denn im Unterschied zum Hörbuch gehen Text und Musik ein inniges Verhältnis ein: „Sie bewerfen den Text mit Musik und beschießen die Musik mit Text, auf dass Geschriebenes plötzlich Echos hat und Klingendes, Klangliches plötzlich eine Zeilenführung bekommt, ein Layout fürs Ohr, einen Erzählcharakter und eine lyische Textur.“

Schließlich geht es um eine Zukunft frei von Hierarchien zwischen den Geschlechtern und Ständen, den Menschen, Tieren und Pflanzen: Die Programmiererin Lisa verliebt sich in die Sternreisende Suripfote, deren Geist in den Körper ihrer Geliebten hineingeladen worden ist. Im „erwachten Garten“ voller rechnender Pflanzen duplizieren beide den Körper der Sternenreisenden – auf dass jeder Geist auch einen Körper habe.

■ Mi, 28. 10., 20 Uhr, Polittbüro, Steindamm 45