Senat in Sparklausur: Nichts als Löcher

Schmerzhafte Kürzungen wird der schwarz-grüne Senat am nächsten Dienstag und Mittwoch beschließen. Eine Haushaltskonsolidierung ist in der Krise kein Thema mehr.

Auf der Suche nach versteckten Euros: Hamburgs Haushaltspolitik wird aus dem Hubschrauber gemacht. Bild: dpa

Das wichtige sei "die Hubschrauberperspektive", sagt Klaus-Peter Hesse. Da habe man einen besseren Überblick, findet der Parlamentarische Geschäftsführer der Hamburger CDU-Fraktion, "als wenn man mit dem Rasenmäher drübergeht". Über die öffentlichen Finanzen der Freien und Pleitestadt Hamburg nämlich, von deren Konsolidierung niemand mehr spricht. Im Haushalt reiht sich Loch an Loch, aber noch hält er.

In Zeiten der weltweiten Finanzkrise macht der schwarz-grüne Senat Schulden, als ob es kein Morgen mehr gäbe. CDU und GAL, die im Bürgerschaftswahlkampf vor zwei Jahren neue Kredite als "Sünde an nachfolgenden Generationen" brandmarkten, enterben jetzt ihre Kinder und Enkel. Zugegeben sei, dass sie es nicht gerne tun, sie wissen nur keine andere Lösung.

Entsprechend martialisch fällt bereits die verbale Aufrüstung im Vorfeld aus. Das "größte Sparprogramm, das die Stadt je gesehen hat", so droht GAL-Fraktionschef und Haushaltsexperte Jens Kerstan, werde auf einer zweitägigen Sparklausur am Dienstag und Mittwoch kommender Woche im Hamburger Rathaus erarbeitet werden müssen. "Es wird keine Schonbereiche und Denkverbote geben", verkündet sein CDU-Pendant Frank Schira. Und in vorauseilendem Gehorsam verhebt sich CDU-Sozialsenator Dietrich Wersich schon mal schwer in Sachen Rhetorik: "Wer die Menschen liebt", behauptet er, "der spart".

Wegen hoher Steuerausfälle hat der Senat Anfang September eine "Störung des gesamtwirtschaftlichen Gleichgewichts" erklärt. Nur aufgrund dieser Notstandsregelung dürfen zusätzliche Schulden gemacht werden.

Der gesamte Finanzbedarf über fünf Jahre bis 2013 wird auf 7,7 Milliarden Euro beziffert und soll in drei Tranchen gedeckt werden:

Der laufende Doppelhaushalt 2009 / 2010 beträgt jeweils rund 10,7 Milliarden Euro. Für 2009 sollen 1,67 Milliarden und für 2010 weitere 1,85 Milliarden Euro neue Schulden gemacht werden.

2011 bis 2013 soll die jährliche Neuverschuldung bei rund 900 Millionen Euro liegen.

Rücklagen von 1,7 Milliarden Euro sollen aufgelöst werden.

Bis zu einer Milliarde Euro werden seine Behörde, die anderen Fachressorts und die Bezirksämter über fünf Jahre aufbringen müssen - es kann aber auch, je nach Rechenkunst, deutlich mehr werden. Kredite von rund sechs Milliarden Euro will die Stadt bis 2013 aufnehmen, so hat es Finanzsenator Michael Freytag (CDU) Anfang September verkündet (siehe Kasten). Weitere 1,7 Milliarden Euro sollen durch "Auflösung von Rücklagen" aufgebracht werden: Doch wenn das letzte Hemd verhökert ist, steht auch der Kaiser nackt da.

Kredite aber kosten Zinsen, und die sollen aus den laufenden Haushalten beglichen werden: 82 Millionen Euro im nächsten Jahr, 2011 mindestens 150 Millionen, dann 260 Millionen, und in den Folgejahren werden sie in ähnlicher Höhe anfallen. Allein das addiert sich bis 2014 mal eben auf 800 bis 900 Millionen.

Der Finanzexperte der SPD-Fraktion, Peter Tschentscher, meint noch weitere Löcher entdeckt zu haben: Die Rettung von Hapag-Lloyd und HSH Nordbank, das bodenlose Fass Elbphilharmonie, Zinsen für Altschulden sowie ausbleibende Gewinnabführungen der Nordbank an die Stadt summieren sich auf weitere rund 155 Millionen. Tschentscher kommt somit auf etwa eine Milliarde Euro Einsparvolumen und empfiehlt eine deutliche Reduzierung der Betriebsausgaben. Die seien allein in diesem Jahr um 409 Millionen Euro "überproportional gestiegen", sagt er. Da gelte es den Hebel anzusetzen.

Die Hamburger Behörden wurden in Vorbereitung der Senatsklausur am 30. September, unmittelbar nach der Bundestagswahl, vom Haushaltsdirektor der Finanzbehörde, Hans Hinrich Coorssen, über die von ihnen geforderten Einsparungen informiert. Von den Bezirksämtern werden 118 Millionen erwartet, die Sozialbehörde soll gedeckelt werden. Steigen künftig die gesetzlichen Ausgaben für die Sozialhilfe, muss eben bei den Kitas gespart werden.

Allerdings hält sich der Senat ein Hintertürchen offen. Die Behörden müssen überhöhte Sparvorschläge unterbreiten, "um dem Senat Entscheidungen über Prioritäten und Posterioritäten zu ermöglichen", heißt es in Coorssens Brief, der der taz vorliegt. Das sei das Gegenteil der Rasenmäher-Methode früherer Senate, bei der alle Etats um einen bestimmten Prozentsatz gekürzt wurden, sagt Klaus-Peter Hesse: "Wenn wir erstmal aus dem Hubschrauber den Überblick gewonnen habe, können wir Schwerpunkte setzen." Außerdem habe das den psychologischen Vorteil, dass Senatoren sich freuen, wenn sie am Ende der Klausurtagung "die eine oder andere Million behalten" dürfen.

Der zweite Vorteil dieser Methode ist prosaischer. Sollte in absehbarer Zeit eine erneute Sparrunde eingeläutet werden müssen, kann man ohne lange Debatten auf die alten Vorschläge aus dem Oktober 2009 zurückgreifen. Denn aufgeschoben, das ist die Maxime allen Sparens, ist nicht aufgehoben.

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