Betrogene Augen

Das Kunsthaus zeigt Dokumentarfotos – vielleicht

In den Anfängen dieser Technik, im 19. Jahrhundert, war alles noch ganz einfach: Eine Fotografie war ein Dokument, an dessen Authentizität kein Zweifel bestand. Damals galt ein Foto als Beweis, und manch eines entwickelte sogar dezidiert politische Wirkung: Jacob August Riis etwa fotografierte 1870 New Yorks Arme. Im späten 20. Jahrhundert halfen nicht zuletzt Fotos den Vietnamkrieg beenden.

Aber da hatte das Medium seine Unschuld natürlich längst verloren: Nicht nur, dass Politiker seit langem bereits zensieren lassen, auch dem einzelnen Foto ist nicht mehr ohne Weiteres zu vertrauen. Diese Phänomens nimmt sich nun das Kunsthaus an: „Scheinbar sichtbar – Fotografie als Dokument und Projektion“ heißt die heute eröffnende Ausstellung. Sie präsentiert 15 Absolventen und Studierende der Hochschule für Bildende Künste, die sich für ein gleichnamiges Stipendium der Patriotischen Gesellschaft bewerben. Dieses hieß lange „Stipendium für Dokumentarfotografie“, inzwischen hat man den Namen den veränderten Bedingungen angepasst.

Nur folgerichtig: Wenn Marcia Breuers das trashige Ambiente einer ehemaligen Liegenschaft fotografiert und Susann Körner Straßenabschnitte und Mauerrisse ablichtet, ist kaum noch zu entscheiden, ob da nicht manipuliert wurde.

Genau diese Irritationen will die Ausstellung erzeugen, ohne sich allzu sehr politisch zu verorten. Die hier gezeigten Fotos – mögen sie auch, wie bei Karin Jobst, „Wackersdorf08“ heißen – sind eher leise als radikal. Oft sind es Alltags-Stillleben, die sehr geschickt die Grenzen von Dokument und Kunstwerk verwischen. Und zu einem spannenden Selbstversuch einladen. PS

Eröffnung u. a. mit Ulrich Pohlmann, Münchner Stadtmuseum: 19 Uhr, Kunsthaus. Ausstellung bis 8. 8.