„Gemeinsames Erleben“

Beginn der Ausstellung „Kunst trotz(t) Demenz“

■ 42, ist Krankenschwester und hat Jura studiert. Beim Diakonischen Werk für das Thema Demenz verantwortlich

taz: Frau Schneider-Koch, was bedeutet Demenz für die Teilnahme am kulturellen Leben?

Schneider-Koch: Das ist eine Frage der eigenen Biografie und der individuellen Möglichkeiten, also auch eine soziale Frage. In den späteren Stadien wird es natürlich immer schwerer, Zugang zu schaffen. Es ist leichter, wenn der Mensch in seinem Leben bereits kulturell aktiv war. Es kommt aber auch vor, dass Demenzkranke im Vergessen ein neues Interesse entdecken.

Ändert sich der Zugang zu Kreativität?

Nicht unbedingt bei denen, die sich schon immer dafür interessiert haben. Aber Menschen, die Kunst dann erst für sich entdecken, zeigen oft eine unglaubliche Kreativität. Demenz ist nicht immer nur defizitär, sie kann ungeahnte Fähigkeiten wecken.

Kann Kunst helfen, Demenz zu verarbeiten?

Sie hilft dem Ausdruck und dem Umgang mit Gefühlen. Das gilt auch für Angehörige oder Künstler, die privat mit dem Thema in Kontakt kommen. Gerade wenn verbale Kommunikation nicht mehr möglich ist, kann Kunst eine Form sein, um mit der Außenwelt in Kontakt zu treten oder Bedürfnisse zu äußern. Zum Beispiel durch Musiktherapie: Demenzkranke, die kein Zeichen der Erinnerung mehr zeigten, singen plötzlich Lieder mit, die sie aus der Kindheit kennen.

Welche Rolle spielen die Angehörigen?

Mit Kunst können sie wieder in Kontakt treten. Oft tauchen Demente in ihrer Krankheit ab. Während das gemeinsame Erinnern verschwindet, hat man ein gemeinsames Erleben.Interview: VIP

Vernissage mit Landespastorin Annegrethe Stoltenberg und nur für geladene Gäste: heute, 18 Uhr. Die Ausstellung ist bis zum 4. August montags bis freitags von 9 bis 18 Uhr in der Axel-Springer-Passage zu sehen