„Not ist die Ursache“

Somalischer Politologe spricht zum Piratenprozess

■ 49, kommt aus Somalia und floh Mitte der 1990er-Jahre aus seiner Heimat. Er lebt heute in Zürich und arbeitet als Politologe und Projektmanager.

taz: Herr Qalimow, wie sehen Sie den Piraten-Prozess?

Abdulahi Mohamud Qalimow: Da gibt es zwei Seiten, wie ich persönlich finde. Auf der einen ist es sehr interessant, dass die Probleme und Ursachen im Verfahren vertieft werden. Das hat es in anderen Piratenprozessen nicht gegeben. Auf der anderen Seite sitzen diese jungen Leute mehr als ein Jahr in einem Prozess und sind in Haft – sie werden verheizt.

Warum sprechen Sie morgen?

Ich bin hier als Somalier, um die arme Bevölkerung in meiner Heimat zu repräsentieren, um auf das allgemeine heutige Leben und die Hungersnot aufmerksam zu machen. Mehr als zwölf Millionen leben in Not, egal, ob sie im Land selbst leben oder in den Nachbarstaaten. Es geht mir darum zu sagen, was die praktischen Probleme in der Realität sind.

Haben Sie den Eindruck, dass die Lage in Somalia von europäischen Wissenschaftlern realistisch dargestellt wird?

Die Wissenschaftler arbeiten sehr literaturorientiert, beziehen sich auf das, was in den letzten 20 Jahren geschrieben wurde über den Krieg. Ich spreche über den harten Alltag.

Wie bewerten Sie die Piraterie-Bekämpfung?

Es wird viel Geld für die Militär-Mission vor Somalia ausgegeben, um Piraterie zu verhindern. Die erschießen Leute, die aussehen, wie Piraten. Sie machen der gesamten Bevölkerung Angst. Natürlich gibt es auch dort Kriminelle, aber die gibt es überall. Aber viele tun das aus der Not. Das ist die Ursache. Es fehlen Jobs, Menschen hungern. Es wäre aber vernünftiger, den Menschen in Somalia eine längerfristige Perspektive zu geben – Ausbildung und Jobs. INTERVIEW: DKU

Gespräch zum Piratenprozess: 12.15 Uhr, vor dem Strafgerichtsgebäude, Sievekingplatz