„Keine fertige Ausstellung“

KUNST Im Kunstcamp des Dockville-Festivals verwandeln KünstlerInnen einen Monat lang den Festivalraum in ein Experimentierfeld. Ab heute ist die „Work in Progress“ öffentlich

■ 28, studierte Theater-, Literaturwissenschaft und Französisch und ist Mitglied der Künstlerischen Leitung des Dockville Kunstcamps.

INTERVIEW ANNIKA STENZEL

taz: Frau Desta, heute startet das Dockville Kunstcamp. Ist denn schon alles fertig?

Elisabeth Desta: Noch ist nicht alles fertig, wir sind aber auf dem besten Weg. Es läuft gerade alles auf Hochtouren. Es ist aber auch Teil des Konzeptes, dass wir keine fertige Ausstellung bei der Eröffnung präsentieren. Das Kunstcamp ist ein offener Prozess, der bis zum Festival andauert.

Welches ist das spannendste Kunstwerk?

Oh, da kann ich mich auf kein einzelnes festlegen. Aber was mir wirklich gut gefällt, sind unter der Wiese liegende Hochhäuser in Miniaturformat von dem Streetartkünstler Evol. Auch die Installation von Kim Coleman mag ich sehr. Sie hat Lichtquellen aus dem Hamburger Stadtraum zu uns aufs Gelände geholt. Aber kommt und seht selbst!

Gibt es zum Abhängen auch Musik?

Ja, klar… Neben Konzerten wird es jedes Wochenende ein Open Air geben, das Butterland Open Air, den Vogelball und das Smallville Open Air. Zudem gibt es Musik-Performances unter anderem von dem Künstler Bo Christian Larsson. Er lässt vier Chöre gegeneinander ansingen: Ein Kinder-, ein Gospel, ein Frauen- und ein Männerchor werden Fragmente aus Popsongs singen.

Klingt das nicht schrecklich?

Nein, wieso? Aus der unterschiedlichen Überlagerung der Fragmente entsteht etwas Neues. Ich glaube, dass es Spaß machen wird, sich zu überlegen, aus welchen alten Songs die Fragmente stammen. Aber wenn man es nicht mag, findet man bestimmt auch etwas anderes.

Was denn?

Am 22. Juli und am 5. August veranstalten wir ein Symposium und nehmen das wörtlich. Dabei servieren wir ein Drei-Gänge-Menue, während vier ExpertInnen vor und nach dem Essen zum Thema „Raum“ kurze Inputs geben, während dem Essen soll viel diskutiert werden. Und es gibt Interventionen …

Interventionen?

Ja, die gibt es auch und werden vor allem während des Festivals stattfinden.

„Das sind ganz andere Voraussetzungen für die Kunst als in einem Galerieraum“

Zum Beispiel?

Eine Künstlerin verteilt Zelte an die Besucher, die man dann anziehen und damit experimentieren kann. Wenn man ein Zelt anhat, kann man sich überall niederlassen und sich zurückziehen, man trägt seinen privaten Schutzraum also immer bei sich. Gleichzeitig kann man sich damit aber überhaupt nicht gut durch die Festivalmassen bewegen. Man ist also einerseits flexibel, aber auch total eingeschränkt.

Auch schon so ein Zelt angehabt?

Nein, noch nicht.

Wie sind Sie denn an die Künstler gekommen?

Wir haben eine Ausschreibung gemacht und der künstlerische Beirat hat einzelne Künstler vorgeschlagen.

Der Eintritt ist frei. Wie können Sie sich die Künstler leisten?

Die Finanzierung ist das größte Problem der Ausstellung. Das ganze Kunstcamp basiert auf sehr viel Eigeninitiative und tatkräftiger Hilfe von vielen Personen. Wir erhalten nur sehr wenig finanzielle Unterstützung für die Kunst – zum Beispiel von der Rudolf Augstein Stiftung oder der Martha Pulvermacher Stiftung. Rund 90 Prozent wird über das dreitägige Festival finanziert, also von uns selbst, was mit einem hohen Risiko verbunden und aus wirtschaftlicher Perspektive sogar unvernünftig ist.

Sind Sie zufrieden mit den Künstlern?

Aufgabe der KünstlerInnen ist es, sich einen Monat lang künstlerisch mit der räumlichen und sozialen Struktur des Festivals auseinanderzusetzen.

■ Von Donnerstag bis Sonntag ist die Auseinandersetzung bis zum Festival jede Woche öffentlich. An den drei Wochenenden gibt es jeweils ein Open-Air-Festival mit Musik, Performances, Workshops und Symposien.

■ Künstlerische Interventionen gibt es außerdem vor dem Festival – und auch währenddessen.

Sehr. Das Gelände ist toll geworden und lädt zum Zeitverbringen ein. Das war eine Menge Arbeit. Viele sind ja schon seit zwei Wochen da, leben mit uns auf dem Gelände und bauen zusammen mit den freiwilligen Helfern auf.

Sie leben also im „sozialen und räumlichen Experimentierfeld“, das ist ja auch das Motto für dieses Jahr?

Zum einen haben wir damit genau das gemeint. Wie strukturiert sich sozialer Raum? Wie interagieren die Künstler und Besucher untereinander. Zum anderen meinen wir damit aber auch den temporären Festivalraum. Das Kunstcamp ist ja eine Open-Air-Ausstellung, das sind ganz andere Voraussetzungen für die Kunst als in einem Galerieraum.

Ein großer Spielplatz also. Und was ist, wenn es regnet?

Es wird nicht regnen.

■ Do, 21. 7. bis So, 7. 8., Reiherstieg Hauptdeich / Alte Schleuse; msdockville.de