„Mikropolitik der Gewalt“

Soldaten – von der Grausamkeit des Krieges

■ 53, Sozialpsychologe, leitet das Center for Interdisciplinary Memory Research in EssenFoto: Archiv

taz: In Ihrem Buch „Soldaten. Protokolle vom Kämpfen, Töten, Sterben“ schreiben Sie, dass Sie sich von einigen Überzeugungen getrennt hätten. Von welchen, Herr Welzer?

Harald Welzer: Eine war, dass die Täter nicht unbedingt eine lange Eingewöhnungszeit brauchen, um äußerst brutal zu sein. Das andere ist, dass die Wehrmachtssoldaten nur im Ausnahmefall dem Typus des Weltanschauungskriegers entsprechen.

Wenn sie keiner Ideologie verpflichtet sind, wem folgen sie dann?

Man kann es die Grammatik der Kriegsgewalt nennen. Das buchstabiert sich selber aus, da ist die politische Einstellung, die man hat, relativ irrelevant.

Wird damit die Idee, einen Krieg durch Konventionen zu begrenzen, nicht absurd?

Das ist eine schöne Hoffnung, die man auch braucht, um einen „gerechten“ Krieg zu führen. Aber mein Kollege Sönke Neitzel und ich zeigen relativ klar, dass sich Kriege nicht zivilisieren lassen.

Sie finden wenig Unterschiede zwischen dem Zweiten Weltkrieg, dem Vietnam- oder dem Irak-Krieg, was die Grausamkeit anbelangt. Sind Sie damit auf Widerstand gestoßen?

Bislang haben sich die Rezensionen eher darauf gestürzt, wie gewalttätig die Abhörprotokolle klingen. Wir sagen allerdings nicht, dass der Irakkrieg das gleiche ist wie der Vernichtungskrieg der Wehrmacht. Wir reden über die Mikropolitik der Gewalt.

Wie reagieren Ihre Zuhörer?

Viele Leute stellen sich vor, der Krieg besteht ausschließlich aus Metzeleien. Letzte Woche in Hannover sagten Leute, sie würden sich diese Banalität nicht länger anhören. Das war in gewisser Weise lustig, weil es so banal auch ist. INTERVIEW: GRÄ

Philosophisches Café mit Harald Welzer: 19 Uhr, Literaturhaus Hamburg