Besetzer gegen Coolness

HÄUSERKAMPF Aktivisten aus St. Pauli laden zum Go-In in die Schilleroper. Sie fordern eine Nutzung des seit Jahren leer stehenden Gebäudes durch die Menschen vor Ort. Investoren sollen draußen bleiben

Rund 60 junge Leute haben mit einem Maskenball die Schilleroper in St. Pauli-Nord besetzt. Die Polizei nahm nach drei Stunden die Personalien einiger Akteure auf. „Ich habe mich schon gewundert, dass nicht längst was passiert ist“, sagt eine Zivilfahnderin von der benachbarten Lerchenwache, die einen FC St. Pauli-Kapuzenpullover trägt.

Seit Jahren steht die Schilleroper leer. „Die Tür war nicht abgeschlossen“, sagt ein Akteur, „da haben wir einfach zum Ball oder zur Party eingeladen.“ Der runde Stahlskelettbau war ursprünglich 1898 für den Zirkus Busch errichtet worden, 1905 beherbergte er erstmals ein Theater, das seinen Namen zum 100. Todestag von Friedrich Schiller erhielt. Laiengruppen der Arbeiterbewegung benutzten das Gebäude und führten Opern, Tragödien, Revuen auf.

Die Nutzungen der Schilleroper wechselten häufig – Anfang der Neunziger Jahre wurde sie sogar zur Flüchtlingsunterkunft. Danach wollte ein Nobelrestaurant seine Pforten eröffnen. Seitdem ist das Areal im gentrifizierten St. Pauli zum Objekt der Spekulation geworden– die Eigentümer würden gern in gewinnträchtige Hochhausbauten oder Coolness-Lokalitäten investieren.

„Wir brauchen aber keinen zweiten Wasserturm, kein zweites Mövenpick-Hotel und nicht noch mehr angesagte Modeläden, Restaurants und Kneipen, in denen sich doch immer wieder das gleiche Volk sammelt“, heißt es von den Aktivisten. Folglich sei die Veranstaltung auch nicht allein künstlerischer Natur: „Unsere Aktion ist der Drang nach Selbstentfaltung, die im Prozess politisch geworden ist.“

Es gehe ihnen um den Erhalt des Gebäudes und eine bedürfnisorientierte Nutzung durch die Menschen vor Ort. Was mit dem Terrain passiere, solle denen überlassen bleiben, die damit zu tun haben, und nicht irgendwelchen Investoren: „Unser Ausdruck ist, dass wir den Status quo nicht akzeptieren.“ KVA