PHILOSOPHIE
: Lob der Langsamkeit

„Der Gruß der Philosophen untereinander sollte sein: Laß Dir Zeit.“ Diesen Rat seines Kollegen und in gewissem Sinne Geistesverwandten Ludwig Wittgenstein hat sich der österreichische Philosoph und Erkenntnistheoretiker Josef Mitterer offenkundig zu Herzen genommen. 1978 hat er über das Verhältnis von Sprache und Wirklichkeit promoviert, anschließend hat er den Text vierzehn Jahre lang in die Schublade gelegt und als Reiseleiter rund um den Globus, nun ja, „praktische Erfahrung“ gesammelt. 1992 hat er seine 100 Thesen schließlich doch unter dem Titel „Das Jenseits der Philosophie. Wider das dualistische Erkenntnisprinzip“ veröffentlicht und 2001 mit seiner Habililationsschrift „Die Flucht aus der Beliebigkeit“ noch mal 60 Thesen draufgelegt. Und die bergen eine ganze Menge philosophischen Sprengstoffs in sich. Schließlich wendet sich Mitterer damit vehement sowohl gegen den Realismus, der behauptet, dass die Wirklichkeit in der Sprache abgebildet werde, wie auch den Konstruktivismus, der postuliert, die Sprache konstruiere die Wirklichkeit. Beide Positionen aber verharrten in einem Dualismus, dessen von allen geteilte Geschäftsgrundlage Mitterer radikal zu unterlaufen gedenkt. Beispielthese: „Wenn eine Priorität des Objekts gegenüber der Objektangabe erst nach der Objektangabe behauptet werden kann, läßt sich eine Sprachverschiedenheit des Objekts durch den Verweis auf die Priorität des Objekts gegenüber der Objektangabe nicht mehr begründen.“ Oder kurz: Versucht man, ein Objekt jenseits von Beschreibungen und Deutungen anzugeben, kommt man im Ergebnis an einer neuen Beschreibung des Objekts nicht vorbei. Darüber wird man am Dienstag im Philosophischen Café ebenso, eben, sprechen müssen wie über Mitterers schönen Satz: „Wenn wir zugeben, dass wir uns irren, dann müssen wir zugleich auch feststellen, dass der Irrtum, solang wir ihn begehen, nicht feststellbar ist.“ Nicht „wahr“?  MATT

■ Di, 15. 5., 19 Uhr, Literaturhaus, Schwanenwik 38