SPRACHRÄUME

Die wohlbekannte dramatische Frage Hamlets lieferte den Titel für das Stück von Nick Whitby, das Christian Nickel derzeit für das Theater wieder inszeniert. „Sein oder Nichtsein“ ist ein Stück über ein Stück, ein Blick hinter die Kulissen, der weniger in die Dramen und Intrigen der Schauspielerinnen und Schauspieler führt, als in den nackten Überlebenskampf. Das Ensemble eines Warschauer Theaters entwickelt im Sommer 1939 eine Persiflage auf das Naziregime, aber zur Aufführung kommt es nicht mehr. Stattdessen geben sie das Drama von Shakespeare und klammern sich an den Figuren fest. Aus ihren Wohnungen vertrieben, beziehen sie kurzerhand das Theater und inszenieren ihr Überleben im Sinne der klassischen Geschichte. Verwicklungen und Spionage sowie der große Befreiungsschlag kommen nun auf die Bühne, die über jedes Spiel hinausgehen. Sa, 12. 5., 20 Uhr, Mi, 16. 5., Do, 17. 5., jeweils 19 Uhr, Altonaer Theater, Museumstraße 17

Neben der Flut von Ratgebern, die mit Tipps zur optimalen Lebensführung aufwarten und mit einem permanenten „Ja“ im Kopf die Reibungsflächen zu mindern suchen, kommt nun eine Anleitung zum Nein-Sagen auf die Bühne, einem Nein zu Ungerechtigkeiten und faulen Kompromissen. Als Vorlage diente der Text des französischen Widerstandskämpfers Stéphane Hessel mit dem Titel „Empört euch!“ aus dem Jahre 2010, der den nunmehr lethargischen Blick auf eine schicksalhafte Welt anprangert. Johan Heß inszenierte den Stoff mit den Lichthof Youngsters neu und stellt die eigene Müdigkeit, die Angst und die eigene Wut in „Empört euch doch endlich“ in den Mittelpunkt. Ausgehend von ihren eigenen Leben werfen sie ihre Ohnmachten und Fluchten in die Unterhaltungstechnik vor das Publikum. Wie viel einfacher fällt es, sich zu fügen und die Abenteuer im geschützten Raum mit der Spielkonsole zu erleben, Allmachtsfantasien inklusive. Und dennoch bleibt da dieser Rest, der sich verweigert, bohrt und sucht. Sa, 12. 5. (Premiere), 20.15 Uhr, So, 13. 5., 19 Uhr, Lichthof Theater, Mendelssohnstraße 15b

Auch in seinem Neuen Stück „Schau mir in die Augen, gesellschaftlicher Verblendungszusammenhang“ bleibt René Pollesch seinem Thema treu: die absolute Synthese von Subjekt und Kapitalismus. Diese Grenzenlosigkeit erfährt neue Turbulenzen, wenn sie mit der aktuellen Finanz- und Schuldenkrise kurzgeschlossen wird. Längst wurde sich von real existierenden Produkten verabschiedet und die Zukunft lag in der fiktiven Wertschöpfung und auf der Spekulation mit schön gemalten Prognosen. In dem Ein-Personen-Stück verkörpert Fabian Hinrichs quasi sich selbst, einen arbeitenden Schauspieler, der Wirklichkeit und Imagination ins Absurde führt. Sie zählen nicht mehr, sie formulieren keine Hoffnung mehr und erzählen nur noch von einem eventuell erfolgreichen Krisenmanagement. Fr, 18. 5., 20 Uhr, Schauspielhaus, Kirchenallee 39  KENDRA ECKHORST