„Ich will hier nicht weg“

INSELN Toei Teasi wohnt auf einer Insel im Pazifischen Ozean. Das wird nicht ewig so bleiben. Weil die Insel kleiner und kleiner wird. Teil zwei der Serie „Klimakinder“

Das Land: Tuvalu ist eine Inselgruppe nördlich von Neuseeland und einer der kleinsten Staaten der Erde. Auf den neun Inseln leben gut 11.000 Menschen. Staatsoberhaupt ist die britische Königin, die aber praktisch nur repräsentiert. Das Klima ist tropisch. Die höchste Erhebung liegt nur fünf Meter, der Großteil des Landes nur ein bis zwei Meter über dem Meeresspiegel.

Das Wasser: Forscher, die UNO und das Rote Kreuz warnen: Jährlich steigt der Meeresspiegel bei Tuvalu um 5,7 Millimeter. Zudem erodieren die Strände. Pessimisten fürchten, dass die Inseln in den nächsten 50 bis 100 Jahren größtenteils unter Wasser liegen. Auch Kiribati und Vanuatu im Pazifik, die Bahamas in der Karibik und die Malediven nahe Indien nennt die UNO „verletzliche Inseln“.

VON NATALIE RIGHTON
(TEXT) UND TON KOENE (FOTOS)

Unsere Insel sinkt, also müssen wir bald alle umziehen“, sagt Toei Teasi. Er wohnt auf Funafala, einer Insel im Pazifischen Ozean, die zum Land Tuvalu gehört. Nur zwanzig Menschen leben auf seiner Insel. Durch die Erderwärmung steigt der Meeresspiegel von Jahr zu Jahr. Und Toeis Insel droht im Meer zu versinken.

Toei ist elf Jahre alt. In 100 Jahren, so hat es ihm seine Lehrerin erklärt, wird Funafala komplett überflutet sein. Aber schon früher wird die Insel kleiner und kleiner werden. „Ich finde das schlimm, denn ich will hier nicht weg“, sagt Toei. „Wir können uns doch nicht in Fische verwandeln und unter Wasser leben.“ Toei liebt sein Leben auf der Insel. „Es gibt kilometerlange Strände zum Spielen und im Meer kann man jeden Tag schnorcheln und fischen. Es gibt keine Autos oder Mopeds, die einem über die Füße fahren, und auch keine Geschäfte. Wenn ich etwas essen möchte, dann tauche ich mit meinem Speer oder dem Netz ins Meer, um einen Fisch zu fangen.“

Das Leben auf Tuvalu ist nicht nur paradiesisch, sondern auch gefährlich. „Man muss wegen der Haie höllisch aufpassen. Einige sind gut drei Meter lang und fressen dich, sobald sie nur die Chance dazu kriegen. Vor allem nachts kommen sie nah an die Küste und jagen. Darum hat mir mein Vater auch verboten, in der Dunkelheit zu schwimmen.“

Er hat gelernt mit Haien umzugehen, doch nun muss er damit klarkommen, dass es seine Heimat nicht mehr lange geben dürfte. Mit Schulfreunden hat er sich Gedanken gemacht, wie man die Insel retten könnte. Zum Beispiel indem man die Insel mit Sand aufschüttet. Oder eine Betonmauer um sie herum baut, damit das Meer sie nicht mehr erreichen kann. Doch Toeis Vater schüttelt nur den Kopf: „Aber Toei, wie sollen wir an Geld dafür kommen?“ Auf Tuvalu sind alle arm, auch Toeis Familie. Nur mit dem Verkauf von Fischen verdienen sie etwas Geld.

Weil die Flutwellen jedes Jahr höher an die Küste der Inseln schlagen, bringen Mitarbeiter des Roten Kreuzes den Kindern bei, wie sie sich im Falle von Überflutungen verhalten sollen. „Bei den Katastrophenübungen lernen wir, Brücken zu bauen, Verwundete zu versorgen und über Funk Notrufe abzusetzen“, sagt Toei. „Ziemlich cool“.

Toeis Schule steht auf der Hauptinsel von Tuvalu. Am Montagmorgen bringen die Väter und Mütter ihre Kinder mit dem Boot dorthin. „In der Woche schlafe ich bei meinem Onkel und meiner Tante auf der Hauptinsel, andere Kinder schlafen in der Schule. Am Wochenende bin ich immer zu Hause auf meiner eigenen Insel.“

Wenn er groß ist, möchte Toei Fischer werden wie sein Vater. „Mein Vater hat mir ein besonderes Kanu gebaut, mit dem ich jeden Tag auf dem Wasser bin. Ich bin noch nicht so gut wie er, aber meistens fange ich schon vier Fische am Tag“, sagt er. „Wenn man fischen kann, kann man immer überleben.“