BÄRBEL BOHLEY
: So habe ich den Westen verändert

Auf die Frage, was hat der Osten in den Westen eingebracht, hat er den Westen verändert, kommt erst ein leerer Blick und dann ein ausführliches Schweigen. Ja, was?

Das grüne Ampelmännchen und der grüne Pfeil sind abgelutscht. Dann kommen Beispiele aus dem kulinarischen Bereich. Aber auch die Spreewaldgurken sind nicht mehr das, was sie mal waren. Zu viel Zucker. Selbst die Soljanka ist verwestlicht. Von den Brötchen ganz zu schweigen. Dresdener Stollen, Halberstädter Würstchen und Bautzener Senf – kommen die nicht schon aus China?

Dann fällt ein schwerer Satz: Der Osten war eine Vitaminspritze für den Westen. Jetzt sind die Vitamine aufgebraucht, die lukrativen Spekulationsobjekte sind verteilt. Die Kassen sind leer, und der Westen sieht in weiten Teilen so aus wie der Osten vor zwanzig Jahren. Ja, auf leisen Sohlen ist der derbe Osten in den feinen Westen gekommen, an den Hacken klebte noch die lehmige mecklenburgische Erde, vermischt mit Kuhmist und Hühnerkacke.

Keiner hat es gemerkt, aber plötzlich war er da, der Osten im Westen, und verändert ihn Tag für Tag seit zwanzig Jahren, nimmt ihm die Schminke, macht ihn realer, zeigt ihm seinen Platz in der Welt. Wir haben das hinter uns, was ihr vor euch habt. Ihr könnt von uns lernen. Die Wirklichkeit ist vorwiegend rau, grob und niederträchtig, aber sie hat ihren eigenen Glanz. Lassen wir uns von ihr beflügeln.

Bärbel Bohley ist Malerin und Bürgerrechtlerin. Geboren 1945 in Berlin, lebt sie heute in Berlin-Prenzlauer Berg