„Ich tue niemandem damit weh“

KONVERSION Als S. M. S. wurde und Gesichtsschleier trug, fing der Ärger an. Fragen zum Glauben

■ Die Frau: S. M. S., 22, ist in Hamburg geboren. Sie hat einen dreijährigen Sohn und eine neun Wochen alte Tochter. Nach ihrem Realschulabschluss fing sie eine Ausbildung zur medizinisch-technischen Assistentin an, brach diese jedoch ab, weil ihr Sohn häufig krank war. Zurzeit ist S. „Familien-Managerin“ und schreibt viel und gerne bei Facebook. Ihr Mann kommt aus Pakistan, die beiden sind seit drei Jahren verheiratet.

■ Ihre Religion: Jahrelang ging S. als nichtgläubige Christin durchs Leben. Mit ihrer Konversion zum Islam vor zwei Jahren ist sie immer noch zufrieden. Als sie konvertierte, nahm sie den Namen M. an, im Pass steht nach wie vor S..

■ Ihre Kopfbedeckung: Nach ihrer Konversion trug S. Kopftuch, dann einen Gesichtsschleier (Niqab), wieder ein Kopftuch, wieder Niqab, und zurzeit trägt sie gar keine Kopfbedeckung. Den Niqab trug sie insgesamt ein knappes Jahr.

INTERVIEW KARIN SCHÄDLER
FOTOS KARIN DESMAROWITZ

taz: Frau S., ist ein Gesichtsschleier – der Niqab – ein Zeichen für die Ungleichheit von Mann und Frau?

M. S.: Ach, das ist doch Käse.

Viele Menschen – auch solche, die das Kopftuch okay finden – denken so.

Nein, das ist kein Zeichen der Ungleichheit. Was für ein Schwachsinn. Das wäre so, wenn es wirklich von den Männern aufgezwungen würde.

Sie kennen doch viele Frauen, die Niqab tragen. Hatten Sie bei manchen den Eindruck, dass sie dazu gezwungen werden?

Vielleicht gibt es das vereinzelt irgendwo in Deutschland. Aber ich kenne wirklich viele, und bei denen war das immer aus freien Stücken. Sie wollten das und hatten Spaß daran.

Und trotzdem: Niemand würde behaupten, dass Männer ihr Gesicht bedecken sollen. Die Diskussion dreht sich nur um die Gesichter von Frauen. Stört Sie das nicht?

Nein, aber ich finde es albern, wenn sich Männer an dieser Diskussion beteiligen. Das wirkt auch unglaubwürdig. Wenn, dann sollen Frauen darüber reden.

Sie wollten Ihr Gesicht bedecken?

Ja, zu der Zeit wollte ich das unbedingt. Aber dann ging es nicht mehr.

Warum nicht?

Ich wurde einfach ständig angepöbelt und beleidigt. Auf der Straße, im Supermarkt. Sogar, wenn mein kleiner Sohn dabei war. Darauf haben diese Leute überhaupt keine Rücksicht genommen.

Und das hat Sie so sehr gestört, dass Sie den Niqab wieder abgelegt haben?

Ja. Das ging nicht so spurlos an mir vorbei. Manche sind stark genug, das auszuhalten, andere stecken sich Ohrstöpsel in die Ohren. Aber ich bin sensibel. Ich habe jedes einzelne Mal danach gegrübelt und mir überlegt, wie ich anders hätte reagieren können. Ich war immer gereizt, wenn ich rausging. Und ich wollte nicht, dass mein Sohn einen Hass auf die Menschen entwickelt, weil die ständig böse auf seine Mutter sind. Das bekommt er ja mit.

Was waren das für Menschen?

Eindeutig mehr Männer als Frauen. Viele Frauen haben das hinter vorgehaltener Hand gemacht, Männer eher sehr offensichtlich. Jüngere Leute haben meistens gekichert, beleidigend geworden sind vor allem ältere.

Ihnen ist der Niqab vielleicht am wenigsten vertraut?

Sie müssen ihn gar nicht kennen. Ich muss auch keinen Punker kennen, um ihn zu tolerieren. Diese Pöbeleien sind mir mit Kopftuch übrigens auch passiert, aber viel weniger.

Wäre die Reaktion der Leute nicht gewesen, würden Sie den Niqab immer noch tragen?

Nein, ich kann es mir im Moment nicht vorstellen, aber ich habe mich gut damit gefühlt.

Inwiefern?

Es war ein extrem freies Gefühl. Ich war davor immer darauf aus, hübsch zu sein, um von außen Anerkennung zu bekommen. Meine Persönlichkeit habe ich in den Hintergrund gestellt. Mit dem Niqab war ich davon erlöst. Ich war endlich „ich“. Ich wollte, dass die Menschen nur auf meine inneren Werte achten können, weil sie das Äußere gar nicht sehen.

Hat das geklappt?

Unter den Schwestern mit Niqab war es tatsächlich so: Da hat der Charakter eine sehr große Rolle gespielt. Aber die meisten Menschen haben nur noch den Niqab wahrgenommen. Und auch manche Muslime haben mich komisch angeguckt. Einmal hat mich eine Gruppe von Frauen mit Kopftuch vor der Moschee ausgelacht.

Ist Ihnen das Aussehen jetzt wieder wichtiger?

Mittlerweile habe ich meine kleine Familie, und es ist mir wurscht, was andere denken. Wenn es klingelt, und ich habe einen Kotzfleck vom Baby am T-Shirt, dann ist das halt so.

War der Niqab für Sie auch eine Art Schutzschild?

Es war schon einfacher. Kein Mensch hat mein Gesicht gesehen. Ich musste nicht auf meine Mimik achten, wenn mich jemand blöd angemacht hat. Manche waren so affig, da musste ich innerlich lachen. Oder wenn dann zum zwanzigsten Mal jemand sagte, das würde so schrecklich aussehen, dann bin ich sauer geworden. Aber mein Gegenüber bemerkte das nicht. Das war wirklich ein sehr freies Gefühl. Ich konnte reagieren, wie ich wollte, ohne jemanden zu provozieren.

Was hat die Menschen denn genau gestört?

Viele sagten, das würde nicht hierhergehören. Oder behaupteten einfach, es gebe ein generelles Vermummungsverbot in Deutschland. Als Deutsche wurde ich gar nicht mehr wahrgenommen. Ich war halt die Ausländerin.

Wie haben Sie reagiert?

Das ist sehr schwer. Denn diskutieren wollen die ja nicht. Sie geben halt ihren Senf dazu. Wenn man sich hinstellt und fragt, was sie stört, sind nur wenige bereit, darüber zu reden. Einmal ging das aber. Da war ich im Sommer mit meinem Mann und meinem Sohn im Park, bei wunderschönem Wetter. Eine Frau kam an und sagte mir, ich würde schrecklich aussehen. Ich bin stehen geblieben und fragte, was ihr Problem sei. Sie meinte, es sei doch so schönes Wetter. Ob ich mich nicht auch freimachen und das genießen wolle. Ich habe ihr dann erklärt, dass ich das Wetter auch so genießen kann. Diese Frau war bereit, zu diskutieren, sie hat mir zugehört und mich reden lassen. Wenn es mehr solche Menschen gäbe, wäre es schon einfacher.

Und war Ihnen tatsächlich heiß unter dem Niqab?

Schon, aber das hat mich nie gestört. Man kann es aushalten. Mein Niqab war wärmer, weil ich einen eher dicken Synthetik-Stoff getragen habe. Im Winter ist das natürlich praktisch. Die Luft staut sich und es ist wärmer. Es gibt aber auch Niqabs aus hellen, ganz leichten Baumwollstoffen.

Kann man durch diesen dicken Stoff gut hören?

Ein bisschen gedämpfter als sonst, aber das ist bei leichten Stoffen nicht so.

Und wie ist es mit dem Riechen und Fühlen?

Alles prima. Man darf das eben nicht zu eng binden, sonst bekommt man Kopfweh. Auch Trinken und Essen geht, man muss den Stoff nur etwas anheben und den Strohhalm oder etwas zu Essen darunterschieben. Die Leute gucken komisch, aber es ist möglich. Eigentlich konnte ich mit Niqab alles machen. Aber natürlich gibt es Dinge, die man dann einfach nicht tut.

Was denn?

Zum Beispiel Rauchen oder Küssen. Beides geht prinzipiell, aber dann hätten alle Leute, die mich sehen, sofort gesagt: „Stell dir vor, ich hab da eine gesehen, die geraucht hat …“ Es wird schnell verallgemeinert und der Niqab ist ja noch viel auffälliger als das Kopftuch. Man muss schon ein gewisses Bild repräsentieren.

Wie stand Ihr Mann – er stammt aus Pakistan – zum Niqab?

Na ja, ich hab einen bestellt und ihm so vor den Latz geknallt. Er hat mich total verdattert angeguckt. Und das Erste, was er sagte, war: „Das ziehst du nicht an, wie sieht denn das aus?“ Er sagte, es sei gefährlich und passe nicht hierher.

Gefährlich?

Er hatte Angst vor der Reaktion der Menschen. Er wusste nicht, ob ich dem gewachsen bin.

Und er fand, es passe nicht nach Deutschland.

Ich sage: Es passt nicht in Behördenjobs. Wenn ich in eine Behörde gehe, und da sitzt eine Frau mit Niqab hinter dem Schalter, würde ich mich auch fragen, wo ich gelandet bin. Ohne dass das jetzt irgendwie beleidigend gemeint ist. Aber privat soll doch jeder rumlaufen, wie er möchte. Ich habe gar kein Recht zu sagen, das passt hierher oder nicht. Es gibt doch so viel, was aus anderen Ländern zu uns rüberschwappt an Styles und so. Da kann man dafür doch auch offen sein. Soll doch jeder machen, was er möchte. Ich bin da toleranter.

Wie haben Ihre Familie und enge Freunde reagiert?

Die meisten in meiner Familie wussten es gar nicht, aber intensiver möchte ich darauf nicht eingehen. Nur meine Oma wusste es, und die fand es interessant. Viele Freunde haben es akzeptiert. Aber eine enge Freundin hat sich völlig von mir abgewandt.

Sie haben den Niqab ein Jahr getragen – und jetzt nicht mal mehr Kopftuch. Warum?

Es war irgendwie nicht mehr so ein Teil von mir. Es erscheint mir so, wie mein Glaube momentan ist, nicht als das Richtige. Ich habe nicht den Drang danach, obwohl ich persönlich aus den Texten lese, dass es verpflichtend ist.

Dachten Sie das vom Gesichtsschleier auch mal?

Ja, ich war der festen Überzeugung, dass der Islam ihn vorschreibt.

Warum?

Das lag an Menschen, mit denen ich damals sprach, und an verschiedenen Internetseiten, die sich mit dem Thema beschäftigen. Das hat mir gereicht. Ich hatte meine „Beweise“ und das war’s.

Heute halten Sie diese „Beweise“ nicht mehr für gültig?

Nein, ich denke, dass man diese Stellen im Koran und den Überlieferungen aus dem Leben des Propheten anders auslegen kann.

Sehr viele Muslime sehen den Niqab überhaupt nicht als etwas „Islamisches“ an und sagen, es sei falsch, die Quellen so auszulegen.

Na ja, die Frauen, die ihn tragen, denken in der Regel, er sei religiös vorgeschrieben. Ich denke, jeder Mensch muss selbst entscheiden, ob es für ihn zum Islam gehört oder nicht.

Die Menschen, mit denen Sie damals darüber sprachen, waren das Männer oder Frauen?

Frauen. Nette Schwestern. Ich kannte bei Facebook viele, die Niqab getragen haben, später habe ich einige persönlich getroffen. Und ich fand es faszinierend, wie das gewirkt hat.

Wie denn?

Mich hat die Stärke dieser Frauen fasziniert. Die Stärke, den Niqab zu tragen, egal was passiert. Ich hatte den Eindruck, dass an ihnen alles abprallt, dass sie sich von nichts beirren lassen. Die haben so ihr Ding gemacht, und das habe ich als starke Persönlichkeit wahrgenommen. Und dann bin ich so mitgelaufen, eine gewisse Zeit, dann nicht mehr.

Sie haben sich auf Facebook gezielt mit Frauen befreundet, die ihr Gesicht bedecken?

Ich dachte, ich könnte etwas von ihnen lernen. Ich habe ihre Nähe gesucht. Nach meiner Konversion hatte ich sehr viele Fragen. Zum Beispiel, warum man ein Kopftuch tragen soll. Oder wo meine Oma – die natürlich nicht Muslimin ist – hinkommt, wenn sie stirbt. In die Hölle oder den Himmel? Ich habe Unterstützung gebraucht.

Von Frauen, die ihr Gesicht bedecken?

Ich kannte privat fast nur männliche Muslime, die mir nicht wirklich helfen konnten. Da habe ich angefangen, mir ein Netzwerk aufzubauen. Und die Frauen mit Niqab waren alle viel älter als ich und länger im Islam und sie wussten ganz viel. Ich konnte damals nicht einmal beten. Der Niqab wird oft mit viel Wissen in Verbindung gebracht – und ich wusste kaum etwas über die Religion.

Konnte Ihr Mann Ihnen nicht helfen?

Auf eine gewisse Art schon. Aber er glaubt eher so vom Herzen her. Für ihn muss einfach die reine Absicht stimmen, man muss höflich sein mit den Menschen. Diese ganzen Werte, die kamen von ihm.

Aber?

Zum Kopftuch hat er zum Beispiel eine gespaltene Meinung. Er kommt ja aus Pakistan, da werden lange, oft durchsichtige Schaltücher getragen, wie man sie aus Indien kennt. Immer alles bunt und mit Schmuck. Das ist eben Tradition, nicht unbedingt islamisch. Er konnte mir nicht wirklich das erzählen, was ich wissen wollte. Belege aus dem Koran oder den Überlieferungen aus dem Leben des Propheten zu finden – das hat ihn überfordert. Er ist ja kein Gelehrter.

Sie sind nun seit zwei Jahren Muslimin. Brauchen sie solche Belege noch?

Nein, denn mittlerweile weiß ich viel mehr. Und ich schlage selbst nach, wenn ich etwas wissen möchte.

Ist der Islam immer noch das Richtige für Sie?

Ich habe den richtigen Weg für mich gefunden. Obwohl ich nicht so das Musterbeispiel bin, ich trage ja zum Beispiel kein Kopftuch mehr. Und es gab eine Zeit, in der hatte ich Zweifel. Da habe ich mich gefragt, warum bestimmte Dinge passieren, wenn es doch Gott gibt. Aber als ich – in Anführungsstrichen – Christin war, gab es kein Zweifeln. Damals habe ich komplett nicht geglaubt.

Was ist Ihnen für Ihr Leben wichtig?

Ich habe eigentlich nicht viele Ansprüche. Mir ist meine Familie wichtig und ein ruhiges, geregeltes Leben. Mehr möchte ich nicht. Toleranz, Höflichkeit, Respekt – das sind Werte, die mir wichtig sind.

Arbeiten Sie?

Im Moment nicht, der Kinder wegen. Ich hatte eine Ausbildung angefangen als pharmazeutisch-technische Assistentin, aber die musste ich abbrechen, weil mein Großer anfing zu zahnen und ständig Fieber hatte. Die Kinderbetreuung hat ihn so nicht genommen. Da ich so viele Fehltage hatte, war es besser, abzubrechen. Denn dann hätte ich die Ausbildung später weiterführen können.

Haben Sie aber nicht?

Mein Sohn ist jetzt drei Jahre alt, aber nun ist die Kleine da. Das war nicht geplant, dass sie so schnell kommt. Und nun heißt es warten. Bis sie etwas größer ist.

Den Namen M. haben Sie angenommen. Wie hießen Sie denn früher?

S.. Ich bin ja auch Deutsche. Als ich konvertiert bin, habe ich meinen Vornamen gewechselt – im Pass steht aber immer noch S..

Wie kam es dazu, dass Sie konvertiert sind?

■  Niqab: Ein Stück Stoff, das vor Mund und Nase gebunden wird, während die Augen meist frei bleiben. Er wird mit einem langen Kopftuch getragen. Niqabs wurden auf der arabischen Halbinsel schon vor der Entstehung des Islam von Beduinen getragen. Frühe Gelehrte hielten den Niqab dennoch für ein islamisches Gebot.

■  Burka: Sie bedeckt den ganzen Körper bis zu den Füßen, ist schwerer und weiter. Sie ist meist hellblau und hat ein Stoffgitter vor den Augen, das die Sicht behindert.

■  Verbreitung: Der Niqab wird vor allem in Saudi-Arabien/Golfstaaten getragen, die Burka in Afghanistan und im pakistanischen Grenzgebiet.

Da waren mein Mann und ich schon ein Jahr zusammen. Und es war nicht wegen ihm, das möchte ich betonen, weil das viele denken. Ich war schon immer neugierig auf den Islam. Aber es kam nie jemand, der mich mal aufgeklärt hätte. Kurz vor meiner Konversion habe ich den Koran im Internet bestellt. Und da wurden noch zwei Bücher kostenlos mitgeliefert. In dem einen ging es um Wissenschaft im Koran. Genauer gesagt um Sätze im Koran, die bestimmten wissenschaftlichen Erkenntnissen ähneln, obwohl diese Erkenntnisse zur Entstehungszeit des Koran noch nicht erforscht waren. Zum Beispiel steht drin, dass es sieben Himmel gibt, und es gibt nach einigen Modellen tatsächlich sieben Schichten in der Atmosphäre. Das hat mich begeistert.

Sie haben das geglaubt?

Ja. Und das zweite Buch, das mitgeliefert wurde, hat mich zusätzlich bestärkt. Es ging darin um einen Vergleich des Status der Frau in Islam, Judentum und Christentum. Da stand zum Beispiel, dass es im Islam keine Erbsünde gibt, dass die Frau nicht schuld daran ist, dass Adam den Apfel gegessen hat. All solche Sachen. Wir Frauen haben eine sehr hohe Stellung im Islam – theoretisch. In der Praxis sieht das manchmal anders aus, aber die Theorie ist eigentlich sehr positiv. Das fand ich schön.

Und was ist nach der Konversion passiert?

Aus heutiger Sicht kann ich sagen: Ich habe es einfach überstürzt.

Weil sie orientierungslos waren?

Ja, schon. Ich wollte mehr wissen und habe nach klaren Antworten gesucht.

Kannten Sie damals keine Muslime, die das alles etwas flexibler handhaben?

Muslime, die nicht so streng waren, habe ich am Anfang gar nicht ernst genommen, sondern selbst kritisiert.

Ihre Facebook-Kommentare wirken, als seien Sie mittlerweile genervt von Gläubigen, die die Dinge etwas enger sehen.

Manche, die strenger sind, nehmen sich das Recht heraus, wirklich alles zu kritisieren, zum Beispiel auch Dinge, die ich auf Facebook schreibe. Das mag ich nicht.

Trotzdem haben Sie es eine Weile selbst gemacht?

Ja, so indirekt. Ich habe das nicht gemerkt. Erst als mein Mann mir sagte, ich hätte mich total verändert. Ich bin intolerant geworden. Aber auch wenn etwas religiös verboten ist, muss man nicht ständig mit dem Finger auf andere zeigen.

Waren Sie Salafistin?

Ich weiß gar nicht, was das ist. Dieses neue Ding von Pierre Vogel? [Anm. d. Red: bekannter islamischer Prediger]

Der Niquab wird oft mit dem Salafismus in Verbindung gebracht. Salafismus bedeutet, dass man sich bei der Auslegung der Quellen an den frühen Gelehrten in der Geschichte des Islam orientiert.

Nein, als Salafistin wurde ich noch nie bezeichnet.

Haben Sie sonst irgendeine Richtung?

Ich würde mich als Sunnitin bezeichnen. Normalerweise aber einfach als Muslimin. Das mit den verschiedenen Richtungen wirkt irgendwie ausgrenzend.

Gehen Sie zu einer bestimmten Moschee?

Im Moment gehe ich zu gar keiner.

Was hätten Sie eigentlich gemacht, wenn plötzlich ein Niqab-Verbot in Deutschland erlassen worden wäre?

Ich wäre zu Hause sitzen geblieben, ganz klar. Da wäre ich dann wahrscheinlich versauert.

Sind Sie heute noch gegen ein Verbot?

Ich habe das Verbot damals als falsch empfunden und empfinde es heute als falsch. Es ist keine Hilfe, es verbannt das Ganze ins Haus. Das Thema wird in der Öffentlichkeit aber wirklich komisch diskutiert.

Inwiefern?

Mein Mann sieht so gerne diese politischen Talkshows im Fernsehen. Ständig kommen da Menschen zu Wort, die angeblich irgendwie Ahnung haben, aber noch nie selbst in der Situation waren, Niqab zu tragen. Die das gar nicht nachvollziehen können und auch nicht mit Frauen gesprochen haben, die das tragen. Aber die dann meinen, sagen zu können, das sei frauenfeindlich oder männerdominiert oder böse. Dabei haben sie keine Ahnung, wie das ist, damit zu leben.

Welche Haltung zum Niqab wünschen Sie sich von anderen Menschen?

Toleranz. Sie müssen es nicht akzeptieren. Sie müssen nicht sagen, dass sie das gut finden. Nur zur Kenntnis nehmen und Punkt. Alles Mögliche wird in dieser Gesellschaft toleriert, nur eine Frau mit Niqab wird gleich angemacht. Das geht nicht. Dann bitte gleiches Recht für alle. Wenn ich das will, dann soll man mich machen lassen. Ich tue niemandem damit weh.

Karin Schädler, 30, ist freie Journalistin in Berlin und trägt ihr Haar am liebsten offen