Aus dem Tagebuch eines Taugenichts

VON JAN-HENDRIK PFLEGING

„Ohne Studium kein Job“, heißt es immer. Wieso eigentlich? Macht mich ein Studium zwangsläufig besser, leistungsfähiger und schlauer? Von mir wird erwartet, dass ich studiere. Als sei das eine Selbstverständlichkeit und als gäbe es keine anderen Wege. Viele Menschen haben nie studiert und sind trotzdem erfolgreich und glücklich. Aber bin ich mutig genug, nicht zu studieren? Nein, bin ich nicht. Ich habe viel zu viel Schiss davor, zu scheitern.

Okay, ich nehme das Studieren als Zukunftsplan an, erzähle Freunden vom Studiengang, den ich mir ausgesucht habe. Was ich denn damit machen möchte, das sei doch nichts Halbes und nichts Ganzes. Was soll das? Ich dachte, studieren muss heute interdisziplinär sein, damit man Probleme in der Gesellschaft aus mehreren Perspektiven beleuchten kann. Außerdem soll mir mein Studium Spaß machen.

Alternative: Kaderschmiede-Uni. Koffein-Tabletten, Ritalin-Pillen, Leistungsdruck. Schwächen und Rücksicht, Zaudern und Zweifeln unerwünscht. Erziehung zum vollwertigen Mitglied einer Ellbogengesellschaft. Was soll ich da?

Letztens zu Besuch an einer der renommiertesten Jura-Unis Deutschlands: Vorlesung. Eisige Atmosphäre. Bloß nicht den Stift fallen lassen, sonst halte ich den Betrieb auf. Nicht flüstern, du störst. Zum Kotzen.

Natürlich will auch ich Geld verdienen, will ein gutes Familienleben, eine schöne Wohnung, schicke Klamotten, will ich erfolgreich im Beruf sein. Mir wird doch ständig vorgespielt, wie ich glücklich werden soll.

Und dann immer wieder diese bescheuerten Fragen: „Was willst du denn mit dem Studiengang später mal machen?“ Woher soll ich das denn wissen? Ich bin zwanzig, und von mir wird ein durchgeplantes Lebenskonzept erwartet. Woher soll ich denn jetzt schon wissen, wie ich gerne in zehn Jahren leben will? Ich habe ja noch nichts ausprobiert. Habe letztes Jahr Abi gemacht. Danach Zivildienst. Jetzt Studium?

Ich kann doch überhaupt noch gar nicht wissen, womit ich glücklich werde. Ich will es auch noch gar nicht wissen. Ich will meinen Weg gehen, hinfallen, wieder aufstehen, weiterlaufen. Scheitern lernen. Aus dem Scheitern lernen.

Kann ich das?