ÜBER DIE ANGST VOR ETWAS UNVERMEIDLICHEM
: Heute schon gescheitert?

VON MILA BRILL
UND VINCENT STREICHHAHN

Wer kennt sie nicht, die Angst vor dem Scheitern? Wenn eine Aufgabe riesig, gar unlösbar erscheint. In unserer Gesellschaft gilt als Versager, wer ein Ziel nicht erreicht – und das will sich keiner nachsagen lassen. Der Druck kommt von außen, die Angst ist programmiert. Wir denken ständig daran, dass ein Vorhaben nur gelingen oder misslingen kann. Das ist normal, aber nicht immer etwas Schlimmes. Im Gegenteil, vor einem Erfolg steht immer das Scheitern.

Aus unserer Kindheit sollten wir das wissen: Wie oft sind wir hingefallen und wieder aufgestanden, ehe wir endlich laufen konnten. Dieser Prozess wiederholt sich im Leben fortwährend. Aber jedes Mal tut das Scheitern weh.

Wenn eine Beziehung kaputtgeht, brauchen wir Zeit, um das zu verarbeiten. Doch diese Enttäuschung, im eigentlichen Sinne des Wortes, befreit von Erwartungen, die nicht erfüllbar waren. Die Vorstellung, dass diese Liebe ewig halten würde, war eine Täuschung. Im Rückblick erweist sich das vielleicht als gar nicht so schlimm. Wenn das ursprüngliche Ziel nicht erreicht wird, verändern sich die eigenen Erwartungen, und es eröffnen sich neue Perspektiven. Trotzdem haben wir Angst.

Doch müssen wir uns von der Angst so sehr bestimmen lassen? Ja, diesen Begleiter wird man nie ganz los. Der gut gemeinte Ratschlag „Take it easy!“ befreit einen nicht von der Angst vor einer Prüfung. Aber angstfrei durchs Leben zu gehen wäre auch wenig sinnvoll. So würden wir viel öfter scheitern. Druck hingegen steigert die Konzentration und ist bis zu einem gewissen Grad zielführend. Aber wenn Angst lähmend wird, scheitern wir an uns selbst und nicht an der Herausforderung. Die Möglichkeit des Erfolgs ist damit dahin. Das Problem ist also zu große Angst. Wir dürfen scheitern, wir dürfen Angst haben und müssen das sogar, um unsere Ziele zu erreichen.