Diplomiert in die Misere

ABSOLVENTEN Die Zahl der Arbeitslosen sinkt, doch für junge Akademiker bleibt der Jobeinstieg eine Herausforderung. Ein Besuch bei einem Jobcenter

VON JANINA BEMBENEK

Absätze klappern über den grauen PVC-Boden der Gänge. Auf den Metallbänken des Wartebereichs wippt eine zierliche Frau nervös mit dem Fuß. Seit Stunden wartet Maria, 24, im Jobcenter Berlin Friedrichshain-Kreuzberg. Hinter ihr prangt an der ockerfarbenen Wand ein Werbeplakat „Die neue Jobbörse: Endlich benutzerfreundlich!“. „Mit meinem Magisterzeugnis kam auch der Antrag auf Hartz IV.“ Seit Oktober sucht sie einen Job. „Es ist desillusionierend, Woche für Woche Absagen im Briefkasten zu finden und teilweise noch nicht einmal zu Vorstellungsgesprächen eingeladen zu werden.“ Sie lächelt verlegen. Unter der Brille zeichnen sich dunkle Schatten ab. „Das Studium bereitet nicht auf die Arbeitswelt vor – und auf diesen Kampf.“ In Leipzig hat die Rostockerin Sinologie und Germanistik studiert. Doch mit dem anschließenden Job wollte es trotz Orchideenfach, Auslandssemester und Praktika nicht klappen. Jetzt wohnt sie seit zwei Tagen in Berlin. Natürlich wegen eines Praktikums, das, typisch für die Verlagsbranche, unbezahlt ist. „Mein früherer Berater meinte, wenn ich einen handwerklichen Beruf erlernt hätte, wie Tischler oder Maurer, dann könnte er mich in kurzer Zeit vermitteln.“

Auf interessante Angebote hofft Maria nicht mehr, dennoch verlangt das Jobcenter kontinuierliche Besuche. „Dieser Papieraufwand mit den unverständlichen Anträgen und Nachweisen frisst wahnsinnig viel Zeit, die ich besser mit Bewerben füllen könnte.“

Ständiger Begleiter ist die Angst, langzeitarbeitslos zu werden. „Ich fühle mich alleine gelassen und gleichzeitig muss ich mir vom Berater sagen lassen, dass ich mit Praktika Steuergelder verschwende.“ Der Erfolgsdruck seitens der Gesellschaft belastet sie. Beim ersten Besuch in der Agentur für Arbeit in Leipzig überkam sie ein mulmiges Gefühl, das sich im Bauch ausbreitete. „In der sterilen Eingangshalle warteten etliche schlecht gelaunte Menschen. Damals kam ich mir absolut hilflos vor und habe mich kurz, in diesem Umfeld, schon als gescheiterte Existenz gesehen.“ Doch rasch abfertigen lassen will sich die junge Akademikerin nicht. „Mein alter Berater ist stur nach Schema F vorgegangen: ‚Sie sind Germanistin, also können Sie Sekretärin werden‘, und danach wollte er mir ein bezahltes Praktikum als Onlinejournalistin bei pizza.de aufdrängen. Ich habe aber für so was nicht sechs Jahre studiert!“

Ein junger Mitarbeiter im offenen Nadelstreifenhemd ruft Maria auf. „Endlich“, sagt sie. Wenig später zieht sie die Tür hinter sich zu. „Montag soll ich wieder kommen.“ Wozu? Sie schüttelt den Kopf und verstaut die Formulare in der Handtasche.