Aufbau Ost leidet unter Profilproblemen

Ein Teil der Ost-Kommission fordert mehr Geld für „Wachstumskerne“ und einzelne Unternehmen. Dafür würden dann weniger Straßen gebaut. Die zuständigen Minister reagieren zurückhaltend – nicht zuletzt, weil die Runde komplett zerstritten war

VON DANIEL SCHULZ

Aufbaumittel sollen im Osten vor allem in „Wachstumskerne“ und die Unternehmen fließen. Das forderte der Gesprächskreis Ost um den früheren Hamburger Bürgermeister Klaus von Dohnanyi. „Es ist einfach nicht genug Geld da, um die Fläche wie bisher zu fördern“, sagte Dohnanyi, als das Gremium gestern seinen Abschlussbericht vorstellte.

Die von Wirtschaftsminister Wolfgang Clement und dem für den Aufbau Ost verantwortlichen Verkehrsminister Manfred Stolpe (beide SPD) berufene Kommission empfiehlt unter anderem, weniger Geld für den Straßen- und Schienenbau auszugeben und dafür direkt Unternehmen in Wachstumsregionen zu fördern. „Über Wachstumskerne sollten nicht mehr allein die Länder entscheiden, sondern auch der Bund“, sagte Dohnanyi. Die Länder folgten zu sehr ihren eigenen Interessen.

Anstatt vorrangig Existenzgründungen zu fördern, sollen langfristige Maßnahmen bereits bestehenden Unternehmen beim Überleben helfen. Steuererleichterungen könnten solch ein Mittel sein. Zudem soll den Ost-Ländern mehr gesetzliche Freiheit – beispielsweise bei der Auslegung des Arbeitsrechts – eingeräumt werden. Angeregt wurde ferner ein staatlich geförderter Niedriglohnsektor.

„Diese Anstrengungen müssen in einem Aufbaupakt Ost koordiniert werden“, sagte Kommissionsmitglied Edgar Most. Der ehemalige Vizechef der DDR-Staatsbank forderte, dass Vertreter von Bundesregierung, Wissenschaft, Tarifparteien und die Regierungschefs der Länder an diesem Pakt beteiligt werden müssten. Außerdem würde die Kommission gern einen Ost-Beauftragten im Kabinett – aber ohne Stimmrecht – installieren. „Mit Minister Stolpe gibt es kein Problem, aber die Arbeit auf der Ebene darunter muss besser funktionieren“, sagte Dohnanyi.

Stolpe und Clement äußerten Zweifel an dem Vorschlag, Investitionen in die Infrastruktur zugunsten der Unternehmensförderung zurückzufahren. Auch die Idee des Aufbaupakts Ost stieß auf Skepsis. Werner Schulz, Ost-Experte der Grünen, sagte der taz, „die Vorschläge sind richtig, aber auch nicht neu.“ Es fehle ein konkretes Instrument.

Zu der ablehnenden Haltung haben auch die heftigen Streitereien innerhalb des Gesprächskreises Ost beigetragen. Klaus von Dohnanyi wurde immer wieder beschuldigt, den Gesprächskreis für seine Selbstdarstellung zu missbrauchen. Teilweise kursierten unterschiedliche Pressemitteilungen aus der Gruppe. Von den eigentlich 16 Mitgliedern waren gestern nur 8 erschienen. Und sowohl Heinz Putzhammer, Vorstand des Deutschen Gewerkschaftsbundes (DGB), als auch der ostdeutsche Wirtschaftsprofessor Helmut Seitz sagten kürzlich, der Bericht werde nicht von allen Mitgliedern getragen. Neben inhaltlichen Bedenken, zum Beispiel ein flexibleres Arbeitsrecht betreffend, stören sie sich vor allem an Dohnanyi und Most.

Ein anderes Mitglied der Kommission sagte gestern der taz, „Seitz und Dohnanyi wollten beide die Vortänzer sein.“ Seitz wollte sich gestern nicht äußern.

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