Der kleine René und die große Angela

In Vorpommern kandidiert ein fast unbekannter Abiturient von den Grünen gegen die Kanzlerkandidatin der Union. Er kämpft auf der Straße, im Lokalsender, im Internet. Auf eine direkte Debatte mit seiner prominenten Gegenspielerin hofft er vergeblich

AUS SELLIN BERNHARD MEHNKE

Jeden Tag muss er Veranstaltungen organisieren, E-Mails beantworten, Plakate aufhängen. Ausgelaugt fühle er sich, sagt der 19-jährige Direktkandidat von Bündnis 90/Die Grünen in Nordvorpommern vom Wahlkampf. Da hilft nur eine kurze Auszeit in der örtlichen Disco, sagt René Gögge aus der Kreisstadt Bergen auf Rügen. Dann sei er wieder fit für seinen Wahlkampf gegen die Kanzlerkandidatin der Union.

Der jüngste Kandidat für den Bundestag in Mecklenburg-Vorpommern hat sich Großes vorgenommen. Möglichst viele Stimmen will er seiner prominenten Gegenspielerin Angela Merkel in ihrem Heimatwahlkreis abjagen. Jeden Tag aktualisiert der Musterschüler, der kürzlich sein Abi mit der Note 1,6 ablegte, sein politisches Web-Log. „René versus Angie. Bloggen gegen Angela!“ nennt er seine Online-Kritik an der Frontfrau der Union.

„Ich betreibe kein Gegnerbashing“, so der Jungpolitiker von Deutschlands größter Insel, der im Landesvorstand der Partei sitzt. „Ich will einfach mit grünen Positionen junge Leute gegen die Spießerpolitik der Union mobilisieren.“ Wohlwissend, dass er bei aller Anstrengungen nur einen Bruchteil der Wählerstimmen erzielen wird. Schließlich ist der Teenager ein Nobody, fast unbekannt im weitläufigen pommerschen Nordosten.

Das Problem hat er übrigens gemein mit den Direktkandidaten der anderen Parteien. So kennt den SPD-Mann und Anwalt Peter von Slooten aus Stralsund kaum einer. Genauso ergeht es Nico Völker, der für die FDP antritt. Lediglich Marianne Linke, Mecklenburg-Vorpommerns Sozialministerin (PDS), dürfte regional annähernd so bekannt sein wie Merkel, die ihren Ostwahlkreis bislang immer souverän direkt gewonnen hat.

René Gögge kennt alle seine Gegenkandidaten persönlich aus zahlreichen Debatten. Bis auf die große Angela. Gern würde er direkt auf seine prominenteste Kontrahentin treffen: „Angela Merkel hat sich als Frau in einer Macho-Partei profiliert. Das finde ich klasse. Aber ihre altbackenen Konzepte bringen eben leider nicht unser Land voran.“ Schon gar nicht in der Frage von Bürger- und Minderheitenrechten, die ihn besonders interessierten, ergänzt der junge Grüne.

Ihm missfällt, dass sich Merkel selten blicken lässt im eigenen Wahlkreis. Bislang trat sie nur Ende August in zwei Ostseebädern auf. Am 13. September redet sie vor dem Rathaus der Hansestadt Stralsund. Bei der abendlichen Podiumsdiskussion für lokale TV-Sender wird Merkel wieder fehlen. Schließlich sei sie Bundespolitikerin, so die CDU-Zentrale.

Keine Chance also für René Gögge, sich in diesem Wahlkampf doch noch einmal mit seiner prominenten Gegenspielerin verbal zu duellieren. Stattdessen will er zusammen mit der Grünen-Jugend in Stralsund das Plakat „Beleidigte Lederhosen“ gegen Stoiber hoch halten. „Das sorgt für Stimmung“, sagt er.

Bis zum Wahlabend wird René Gögge sich weiter im Straßenwahlkampf verausgaben. Und hoffen, dass sich seine Aktivitäten mit rund fünf Prozent der Stimmen für die Bündnisgrünen auszahlen werden. Danach beginnt er sein Studium für öffentliche Verwaltung in Hamburg. Das Ziel eines Bundestagsmandats will der strebsame Rügener auch als künftiger Beamter nicht aufgeben.