Korruptionsaffäre in Sachsen: Ermittlungsakten für jedermann

Nun hat die sächsische Korruptionsaffäre eine Aktenaffäre. Die Linke zeigt die Staatsanwaltschaft an, weil geheim zu haltende Akten an die Presse und an Beschuldigte gehen.

Aktenkopien zur sächsischen Korruptionsaffäre Bild: dpa

DRESDEN taz Im Sprachgebrauch der Landesregierung wird die sächsische Korruptionsaffäre gern zur Aktenaffäre herabgestuft. Jetzt gibt es nach Auffassung der Linken im Landtag wirklich eine Aktenaffäre in der Affäre. Zunächst konnte das Magazin Focus aus internen Vernehmungsprotokollen der federführenden Dresdner Staatsanwaltschaft zitieren. Am Montag bestätigte ein Sprecher des Sächsischen Justizministeriums außerdem einen Bericht des Spiegel, wonach ein Hauptverdächtiger über seinen ihn verteidigenden Sohn frühzeitig Einsicht in Ermittlungsakten nehmen konnte. Fünf Abgeordnete der Linksfraktion haben deshalb Strafanzeige wegen Geheimnisverrats gegen die verantwortlichen Staatsanwälte gestellt.

Die Zitate des Focus sind geeignet, die Glaubwürdigkeit der beiden Zentralfiguren in der Korruptionsaffäre zu erschüttern. Die Affäre kochte hoch, als eine Sammlung von Akten und Hinweisen auf filzartige Strukturen insbesondere im Raum Leipzig bekannt wurde. Sie wurde im Landesamt für Verfassungsschutz unter der Regie der damaligen Referatsleiterin für organisierte Kriminalität Simone H. angelegt. Diese Dossiers stützten sich wesentlich auf Hinweise von Polizeihauptkommissar Georg Wehling, der in den Neunzigerjahren in der Leipziger Szene ermittelte. Als Polizeibeamter konnte er eigentlich nicht als Quelle des Verfassungsschutzes dienen. Die Zitate aus den Vernehmungsprotokollen zeigen Widersprüche in den Aussagen beider Personen auf und stützen die Behauptung der Staatsregierung, es handele sich bei der Affäre lediglich um aufgebauschte Gerüchte. Die Dresdner Staatsanwaltschaft ermittelt nun selbst gegen unbekannt wegen Verletzung von Dienstgeheimnissen. Der linke Abgeordnete Klaus Bartl, Rechtsanwalt und Vorsitzender des entsprechenden Landtags-Untersuchungsausschusses, hält auch die Aktenweitergabe an eine beschuldigte mutmaßliche Schlüsselfigur für einen Skandal. Der ehemalige leitende Oberstaatsanwalt in Leipzig Norbert R. ist heute Amtsgerichtspräsident in Chemnitz und wurde vorerst vom Dienst suspendiert. "Jedes Blatt Papier muss man unter diesen Umständen auf Schutzwürdigkeit prüfen", moniert Bartl. Er verweist auf beson- dere Geheimhaltungsvorschriften der Strafprozessordnung und des Gesetzes zur Bekämpfung der organisierten Kriminalität.

"Es handelte sich nur um Ermittlungsakten und nicht um solche des Verfassungsschutzes", stellt Harald Marx als Sprecher des Sächsischen Justizministeriums klar. Der Vorgang an sich sei legitim, ein möglicher Geheimnisverrat durch einen Anwalt des Beschuldigten kein Amtsdelikt. Externe, von der Staatsregierung selbst in Auftrag gegebene Gutachten hatten in den vergangenen Wochen der Arbeit des Verfassungsschutzes und der Landespolizei ein verheerendes Zeugnis ausgestellt. Politische Verantwortung hat dafür bislang niemand übernommen. In der kommenden Woche wird deshalb ein Antrag der Linken im Bundestag behandelt, die Bundesjustizministerin solle Generalbundesanwältin Harms mit den Ermittlungen beauftragen.

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