Moscheegegner drohen mit Mord: Organisierte Hetzkampagne

Seit vier Wochen wird eine Frankfurter Stadtverordnete der Grünen von Neonazis und Rassisten mit Mord bedroht.

Der Steit um die im Frankfurter Stadtteil Hausen geplante Moschee eskaliert. Bild: dpa

FRANKFURT AM MAIN taz Im Alter von 20 Jahren floh die in der Opposition aktive iranische Studentin Nagress Eskandari vor dem Terrorregime der Mullahs nach Deutschland.

Seit 1985 lebt die Atheistin und passionierte Kämpferin für eine multikulturelle Gesellschaft in Frankfurt am Main. Sie ist promovierte Psychologin, seit 2001 Stadtverordnete der Grünen und verheiratet mit dem Psychoanalytiker Kurt Grünberg. Sie heißt jetzt Nagress Eskandari-Grünberg. Und sie sagt von sich selbst, dass sie ein "Musterbeispiel für eine gelungene Integration in die Frankfurter Stadtgesellschaft" sei.

Seit vier Wochen sind Eskandari-Grünberg und ihr Ehemann allerdings Ziele einer Hetzkampagne von Ausländerhassern, Islamophoben und Antisemiten, die es so in der angeblich weltoffenen Stadt noch nie gab. Nagress Eskandari-Grünberg bekommt Briefe, in denen ein Foto von ihr liegt. Darunter steht: "An die Wand stellen! Und dann " Ihr E-Mail-Postfach ist jeden Tag voll mit bösartigen Beleidigungen wie "Moslemnutte" oder schlicht "Blöde Fotze". In rechtsextremistischen Internetforen werden anonym Todesdrohungen verbreitet: "Du wirst in Deinem Garten gesteinigt werden." Ein anderer anonymer Hetzer schreibt: "Ihr kraushaariger Ehemann ist der Jude Grünberg." Und fügt hinzu, Psychoanalytiker sei doch ein "typischer Judenberuf".

Der Aufhänger für die Hetze ist ein einziger Satz Eskandari-Grünbergs, der ihr vor einem Monat in einer Sitzung des Integrationsausschusses des Stadtparlaments herausrutschte. Es ging um den geplanten Moscheebau im Frankfurter Stadtteil Hausen. In der sehr unsachlich geführten Diskussion beklagten Gegner des Moscheebaus die "Überfremdung" in der Stadt und wiesen wiederholt auf den ihrer Meinung nach "viel zu hohen Ausländeranteil auch in den Kindergärten" hin. Als dann noch das böse Wort von einer "Negerveranstaltung" fiel - der anwesende Dezernent für multikulturelle Angelegenheiten ist ein Schwarzer -, platzte Eskandari-Grünberg der Kragen: Rund 40 Prozent der Einwohner Frankfurts seien nun einmal Migranten, rief sie laut in den Saal. Das sei eine Tatsache. Und wem das nicht passe, "der kann ja anderswo wohnen".

Unmittelbar danach startete die Hetzkampagne. Kurt Grünberg regt besonders auf, dass seine Frau aufgefordert wurde, doch zurück in "ihr Mullahland" zu gehen. Schließlich sei sie doch gerade vor den schiitischen Mullahs geflohen. Tatsächlich setzt sich Nagress Eskandari-Grünberg auch kritisch mit dem schiitischen Moscheenverein auseinander, der die umstrittene Moschee mit Rückendeckung aller demokratischen Parteien im Stadtparlament unter Verweis auf die grundgesetzlich garantierte Religionsfreiheit bauen will. Sie regte eine Diskussionsveranstaltung "Frauen und Islam" an. Und der Moscheenverein musste auch zu Gerüchten über Verbindungen zu radikalislamischen Gruppierungen Stellung nehmen. Der Moscheenverein sei "erstaunlich offen", konstatierte sie danach zufrieden. Aber sie werde seine Aktivitäten weiter akribisch beobachten, kündigte Eskandari-Grünberg an.

Als Opfer sieht sie sich nicht: "Ich bin stark genug, das alles auszuhalten, auch wenn meine Familie darunter sehr leidet." Und sie sei nach wie vor "Frankfurterin aus Leidenschaft". Verletzt aber ist sie schon. "Dass man auch nach mehr als 20 Jahren offenbar noch immer nicht überall akzeptierter Teil dieser Stadtgesellschaft ist, war eine bittere Erkenntnis", sagt sie. Und das sei ein Politikum. Eskandari-Grünberg habe einer "aufgewiegelten Gruppe deutscher Bürger" doch nur den Spiegel vorgehalten, kommentierte der Grünen-Stadtverordnete Uwe Paulsen ihre Aussage. Schließlich seien es doch die Migranten in Deutschland, die seit Jahrzehnten zur Auswanderung aufgefordert würden. Viele Frankfurter sehen das genauso: Knapp 1.000 Bürger haben der Familie bereits Mails mit Solidaritätsbekundungen geschrieben.

Einmal zahlen
.

Fehler auf taz.de entdeckt?

Wir freuen uns über eine Mail an fehlerhinweis@taz.de!

Inhaltliches Feedback?

Gerne als Leser*innenkommentar unter dem Text auf taz.de oder über das Kontaktformular.

Bitte registrieren Sie sich und halten Sie sich an unsere Netiquette.

Haben Sie Probleme beim Kommentieren oder Registrieren?

Dann mailen Sie uns bitte an kommune@taz.de.