Drei Babyleichen in Sachsen gefunden

Polizisten finden bei einer Familie aus Plauen tote Neugeborene. Die Eltern waren dem Jugendamt nicht aufgefallen

DRESDEN taz ■ Innerhalb einer Woche sind bei einer 28-jährigen Mutter aus dem sächsischen Plauen drei Babyleichen entdeckt worden. Nach einem ersten Fund war die tatverdächtige Frau zunächst wieder freigekommen. Am Mittwoch wurden nach Angaben der Polizeidirektion Südwestsachsen in einer Kühltruhe und auf dem Balkon zwei weitere tote Säuglinge aufgefunden.

Am 27. November war in einer Abstellkammer bei Verwandten der Frau bereits eine Babyleiche entdeckt worden. Sie soll die sorgfältig verpackte Leiche in einem Koffer ohne deren Wissen dort versteckt haben. Gegen die Mutter wurde Haftbefehl erlassen. Sie erklärte, der weibliche Säugling habe wenige Tage nach seiner Geburt im Jahr 2002 plötzlich tot im Bett gelegen. Die Geburt habe sie beim Standesamt deshalb nicht angezeigt, weil das Kind einem Seitensprung entstamme.

Im Vogtlandklinikum war die Geburt aber ordnungsgemäß registriert und an das Gesundheitsamt in Plauen weitergeleitet worden. Dort wurde man jetzt auch aufmerksam, weil das Kind nicht zur obligatorischen Vorschuluntersuchung für das kommende Jahr erschien. Das Amt schaltete die Polizei ein, als sich die Mutter in Widersprüche verwickelte.

Erst am Dienstag dieser Woche war die Frau aus der Untersuchungshaft entlassen worden, weil ein vorläufiges Gutachten der Rechtsmedizin den Totschlagsverdacht nicht erhärtete. Nach Angaben der Staatsanwaltschaft Chemnitz stammt die 28-jährige Frau nicht aus sozial schwierigen Verhältnissen. Mit ihrem Lebensgefährten hat sie zwei weitere Kinder im Grund- und Vorschulalter. Dem Jugendamt soll die Familie bislang nicht aufgefallen sein.

In den vergangenen Jahren ist die Öffentlichkeit verstärkt auf Fälle aufmerksam geworden, in denen Mütter neugeborene Kinder töteten oder Kleinkinder ohne Pflege zugrunde gehen ließen. Erst vor einer Woche hatte der Hungertod der fünfjährigen Lea-Sophie aus Schwerin die Diskussion um eine strengere staatliche Aufsicht neu entfacht. So plädierten die unionsgeführten Länder Hessen und Nordrhein-Westfalen, aber auch die Bundesärztekammer für verpflichtende ärztliche Vorsorgeuntersuchungen, bei denen vernachlässigte Kinder eher entdeckt würden. Bislang kann ein Besuch von Untersuchungen bei Vorschulkindern ebenso wenig erzwungen werden wie die Teilnahme an lebenswichtigen Impfungen.

Bundesgesundheitsministerin Ulla Schmidt (SPD) und Familienministerin Ursula von der Leyen (CDU) hatten sich allerdings gegen einen solchen Durchgriff ausgesprochen. Dazu bräuchte man „ein dichtes Netz nicht nur der Einladung, sondern auch der Überprüfung“, argumentierte Schmidt.

Von der Leyen will aber die Vorsorgeuntersuchungen aufwerten. „Wer nicht kommt, soll Besuch vom Jugendamt erhalten“, sagte sie. Auch das Sächsische Sozialministerium sieht keinen Anlass, das Verfahren zu ändern. Sprecher Ralph Schreiber machte darauf aufmerksam, dass die Untersuchungen ohnehin von 98 Prozent der Kinder wahrgenommen würden.

MICHAEL BARTSCH