Polizei will Schurken-Computer behalten

Ein Mann aus Karlsruhe bot Musik im Internet zum Tausch an. Bis die Polizei ihn erwischte und seinen Rechner ebenfalls. Als die Beamten sahen, wie schnell das Gerät war, taumelten sie schier vor Begeisterung und wollten vom PC nicht mehr lassen

VON LANA STILLE

Da staunte der Beamte: Ein Computer, der problemlos funktioniert, leise ist – und auch noch schnell. Leider war es nicht ihr eigener, sondern nur ein beschlagnahmtes Gerät, das sie auf seine Tauglichkeit testen mussten. „Ein derart schneller Rechner wurde hier bislang noch nicht überprüft“, lautet das begeisterte Urteil in einem Papier der Staatsanwaltschaft Karlsruhe.

Ursprünglich gehörte der Rechner einem Mann aus Karlsruhe, der Musikdateien an einer illegalen Tauschbörse angeboten hatte. Bei einer Hausdurchsuchung fanden die Beamten 3.500 Lieder auf der Festplatte – und nahmen den Rechner gleich mit. Beschlagnahmte Gegenstände kann der Staat einziehen, die betreffenden Gegenstände werden dann normalerweise versteigert. Die Karlsruher Ermittler wollten den schnellen Rechner aber gern selbst behalten. In einem „Verwertungsvorschlag“ haben sie aufgeschrieben: „Die Verwendung des Personalcomputers im Dienstbetrieb wäre reizvoll, eine Verwertung als Auswerterechner der Polizei erscheint angesichts der starken Leistungsdaten und der klaren Multimediaausrichtung des Systems jedoch sinnvoller.“ Der Prozessor habe eine maximale Rechenleistung von 2 x 3.000 MHz, und „damit entspricht die theoretische Prozessorleistung zirka 250 Prozent der Leistung der hier im Hause installierten Arbeitsrechner“.

Bei dem Rechner handelt es sich allerdings nicht um die aufgemotzte Wunderwaffe eines Hackerkönigs. Der Medion MED MT 380 stammt aus dem Aldi-Weihnachtsangebot von 2005. Sei’s drum – die Staatsanwaltschaft will den Computer des ertappten Filesharers in Zukunft dafür einsetzen, andere Filesharer aufzuspüren: „Die externe Festplatte ist aufgrund der besonders großen Speicherkapazität geradezu prädestiniert für einen Einsatz im Bereich der Auswertung von Internetkriminalität“, heißt es weiter.

Dass eingezogene Gegenstände an die Polizei weitergegeben werden, komme durchaus vor, sagt der Kölner Rechtsanwalt Christian Solmecke, normalerweise aber eher bei größeren Wirtschaftsdelikten. Bei Kleindelikten sei das eher neu. Solmecke vertritt den Filesharer in einem Zivilverfahren. Die Strafe von rund 65 Tagessätzen à 40 Euro hatte der Filsharer zwar anstandslos akzeptiert, aber als eine Kanzlei ihn anschließend auf Zahlung von weiteren 10.000 Euro verklagt hatte, wendete er sich dann doch lieber an einen Anwalt. Und der amüsiert sich über die Staatsanwaltschaft: „Ich habe jedenfalls in über 1.000 Filesharing-Verfahren noch keinen Verwertungsvorschlag gesehen“, sagt Solmecke. Der Rechtsanwalt findet den Enthusiasmus der Justiz für den Aldi-Rechner so lustig, dass er den Verwertungsvorschlag auf der Internetseite der Kanzlei Wilde und Beuger gestellt hat und hämisch kommentiert: „Traurig ist die technische Ausstattung der Polizei, wenn ein in die Jahre gekommener Medion-Rechner so eine Besonderheit darstellt. Falls dieses Beispiel Schule macht, muss der Begriff ‚Beschaffungskriminalität‘ bald neu definiert werden.“

Beschlagnahmte Tatobjekte oder Hehlerware gehen nach dem Einzug in den Besitz des Staates über. Dabei setzt die Justiz auch auf Onlineangebote, denn mit Internetauktionen verspricht sie sich mehr Erlös als mit den üblichen Versteigerungen durch den örtlichen Gerichtsvollzieher. So kann man auf der Seite www.zoll-auktion.de nach Schmuggelware stöbern oder auf der Auktionsseite der Justiz Nordrhein-Westfalen für Fußpflegesets und Jack Daniel’s Whiskey bieten. Die Justizverwaltung Sachsen-Anhalt bietet seit August 2007 eingezogene Gegenstände sogar auf Ebay an.