Erste Flirtversuche im Metall-Tarifstreit

IG Metall und Arbeitgeber werden sich annähern, sagt Gesamtmetall-Chef Kannegiesser. Heute entscheidendes Treffen

BERLIN taz ■ Nach der IG Metall hat auch der Arbeitgeberverband Gesamtmetall kurz vor der entscheidenden Verhandlungsrunde im Tarifkonflikt der Metall- und Elektrobranche Entgegenkommen signalisiert. „Beide Seiten, die IG Metall genauso wie wir, werden sich jetzt aufeinander zu bewegen“, sagte Gesamtmetallpräsident Martin Kannegiesser dem Handelsblatt. „Wir werden uns nach Kräften bemühen, zu einer Einigung zu kommen“, sagte Kannegiesser.

IG-Metall-Chef Berthold Huber hatte schon am Wochenende angekündigt, den Arbeitgebern bei der Laufzeit des Tarifabschlusses entgegenkommen zu wollen. Wenn die Lohnzahl stimme, sagte Huber der Wirtschaftswoche, hätte die IG Metall „kein Problem damit, über 18 oder gar 20 Monate abzuschließen“. Zwar ist der Vorschlag alt, schließlich hatte Huber in einem Spiegel-Interview Mitte Oktober schon gesagt, denkbar sei „ein Tarifvertrag, der 20 Monate oder länger läuft statt der gewünschten zwölf Monate“. Doch diesmal, nach den Warnstreiks der vergangenen zehn Tage, deutete die Arbeitgeberseite den Vorschlag als „konstruktives Signal“, dass auch die IG Metall bereit sei für „aktive Lösungen“. Neu ist Hubers Vorschlag von „einzelbetrieblichen Abweichungen“ für Firmen, denen es schlechter geht. Er nannte als Beispiel „temporäre Arbeitszeitverkürzungen ohne Lohnausgleich“.

Die Gewerkschaft fordert bisher acht Prozent mehr Lohn und Gehalt, die Arbeitgeber bieten 2,1 Prozent für 2009 plus Einmalzahlungen für die noch ausstehenden Monate November und Dezember 2008. Sowohl die Spitzen der IG Metall als auch von Gesamtmetall werden heute bei der wohl entscheidenden Verhandlung für die bundesweit 3,6 Millionen Beschäftigten in der Metall- und Elektrobranche im traditionellen Pilotbezirk Baden-Württemberg vor Ort sein. Bei einem Scheitern der Tarifgespräche in Sindelfingen will die IG Metall ihre Mitglieder zu einer Urabstimmung über flächendeckende Streiks rufen.

„Auf beiden Seiten herrscht große Ernsthaftigkeit, zum Ergebnis zu kommen“, sagt Hans-Peter Müller, Gewerkschaftsexperte an der Fachhochschule für Wirtschaft in Berlin. Nach der Konflikt- und Krawallphase hätten beide Seiten die Kurve gekriegt. Angesichts der 8-Prozent Forderung, der höchsten seit 16 Jahren, und der danach aufkommenden Finanz- und Konjunkturkrise sei für die IG Metall „die Kluft zwischen Erwartungen der Mitglieder und der gesamtwirtschaftlichen Realität nie so groß gewesen“. Die Gewerkschaftsführung habe es aber verstanden, sich die Gefolgschaft ihrer Mitglieder zu sichern, diese aber gleichzeitig ruhig zu halten und auf einen Kompromiss vorzubereiten, erklärte Müller.

Auch Josef Esser, Gewerkschaftsexperte an der Universität in Frankfurt am Main, sagt: „Diese Situation mit diesen gesamtwirtschaftlichen Rahmenbedingungen war die schwierigste, die eine Gewerkschaftsführung in den letzten 40 Jahren hatte.“ THILO KNOTT