Heime stellen mit Medikamenten ruhig: Dröhnung statt Pflege

Viele Pflegeheim-Bewohner werden mit Medikamenten ruhig gestellt, kritisiert ein Krankenkassen-Report. Zudem erhalten viele Alte dort zu wenig Facharzt-Betreuung.

Senioren werden viel zu oft mit Medikamenten ruhiggestellt. Bild: dpa

BERLIN taz Pflegebedürftige in Heimen werden viel häufiger mit Medikamenten ruhiggestellt als Menschen, die zu Hause gepflegt werden. Zudem mangelt es in den stationären Einrichtungen oft an Betreuung durch Fachärzte. Und dies ist kein Randproblem: Schon heute nimmt jeder Zweite in Deutschland im letzten Lebensjahr Leistungen der Pflegeversicherung in Anspruch. Das geht aus dem Pflegereport der Gmünder Ersatz-Kasse hervor, der am Montag erstmals vorgestellt wurde.

Gemeinsam mit dem Zentrum für Sozialpolitik der Universität Bremen hat die Krankenkasse untersucht, wie sich die Pflege in Deutschland entwickelt. Dafür hat es Daten der 1,7 Millionen GEK-Versicherten ebenso ausgewertet wie amtliche Statistiken. Die Zahl der Pflegebedürftigen ist demnach in der untersten Pflegestufe I zwischen 1996 und 2006 um zwei Drittel gestiegen. In den Stufen II und III ist sie nahezu gleich geblieben. Insgesamt sind dies mehr als 2 Millionen Menschen. Hinzu kommen laut Studie weitere 3 Millionen Menschen, die zwar Hilfe brauchen, aber nicht die Kriterien erfüllen, um die Pflegeversicherung in Anspruch nehmen zu können. Nach Angaben von Heinz Rothgang von der Uni Bremen liegt dieser Anstieg schlicht daran, dass die Bevölkerung im Schnitt immer älter werde.

Zwar bescheinigt der Vorstandsvorsitzende der GEK, Rolf-Ulrich Schlenker, den Pflegeeinrichtungen im Großen und Ganzen gute Arbeit: "Wir sind unter dem Strich zufrieden." Wer in einem Heim gepflegt wird, erhalte fast immer wie vorgeschrieben einmal pro Quartal Besuch vom Hausarzt. Doch kritisiert die neue Studie: Orthopäden, Augenärzte und Urologen kommen viel zu selten auf Visite ins Heim, ebenso Psychiater, Neurologen oder Gynäkologen - auch weil sich Krankenbesuche für sie finanziell zu wenig lohnten. Pflegebedürftige mit psychischen Störungen oder Parkinson-Syndrom kommen allerdings nur 2,5-mal pro Jahr mit einem Neurologen oder Psychiater in Kontakt. Dabei sei ein Facharztbesuch pro Quartal mindestens nötig, um die Versorgung sicherzustellen.

Zudem bekommen Pflegebedürftige in Heimen viel zu oft Medikamente zur "Ruhigstellung". Heimbewohner, die Leistungen nach Pflegestufe I und II empfangen, erhalten sogar "mehr als doppelt so viele Verordnungen" wie zu Hause gepflegte Menschen.

Wer einen Heimplatz sucht, dem soll künftig ein Bewertungssystem helfen. Ab 2009 erhalten alle 10.400 Heime in Deutschland mit ihren 677.000 Bewohnern aufgrund von Untersuchungen und Bewohnerbefragungen Noten von "sehr gut" bis "mangelhaft". Darauf haben sich vergangene Woche Kassen-, Sozialhilfe- und Pflege-Träger auf Druck des Bundes geeinigt.

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