„Polizei beschädigt“

Oury Jallohs Tod im Dessauer Polizeigewahrsam bleibt ungesühnt. Sachsen-Anhalts Innenminister schämt sich

Der SPD-Politiker HOLGER HÖVELMANN, 41, ist seit April 2006 Innenminister in Sachsen-Anhalt.

taz: Herr Hövelmann, können Sie die Wut von Angehörigen und Freunden Oury Jallohs nachvollziehen?

Holger Hövelmann: Mir ist klar, dass das gestern für die Familie und die Freunde von Oury Jalloh ein besonders schwerer Tag war.

Der Richter warf der Polizei „Schlamperei und Falschaussagen“ vor, Amnesty International sprach von „organisierten Verantwortungslosigkeit“.

Der Todesfall, seine Umstände und der Umgang damit schaden der Polizei. Aber angesichts des Todes eines Menschen ist das Ansehen der Polizei wirklich nicht das vorrangige Problem.

Während des Prozesses verschwanden Beweismittel, widersprüchliche Aussagen der Beamten wurden plötzlich widerrufen. Wie glaubwürdig waren die angeklagten Polizisten?

Die Glaubwürdigkeit von Zeugenaussagen zu bewerten, ist ureigene Aufgabe des Gerichts.

Flüchtlingsorganisationen fordern eine unabhängige Kommission, die den Prozessverlauf untersuchen soll. Fehlt Polizisten in Sachsen-Anhalt rechststaatliches Bewusstsein?

Polizeibeamte sind Diener des Rechtsstaats. So versteht sich auch die Polizei in Sachsen-Anhalt. Innenministerium und Polizei haben als Konsequenz aus dem Tod Oury Jallohs mit einer Änderung der Gewahrsamsordnung dafür Sorge getragen, dass rechtsstaatliche Prinzipien auch im Polizeigewahrsam durchgängig eingehalten werden.

Der Richter sagte, die Polizisten hätten dem Land geschadet.

Der Tod von Oury Jalloh, aber auch die bekannten Fehler im Umgang mit Rechtsextremismus haben schmerzhaft deutlich gemacht, wie wichtig einerseits eine klare Haltung gegen rechts und andererseits eine stärkere interkulturelle Kompetenz von Polizeibeamten ist. Die Polizei arbeitet hart daran, auch um wieder stärker zum Ansehen des Landes beizutragen.

Sachsen-Anhalt hat die Weiterqualifizierung von Polizisten im Kampf gegen Rechtsextremismus intensiviert …

In der Ausbildung, in Weiterbildungsveranstaltungen und in regelmäßigen Dienstbesprechungen macht die Polizeiführung jedem unmissverständlich klar: Der Kampf gegen Rechtsextremismus hat Priorität.

Wie kontrollieren Sie die Haltung der Polizisten zu Rechtsextremismus?

Jede Polizistin und jeder Polizist muss die Gewähr bieten, jederzeit für den demokratischen Staat einzutreten. Niemand wird kontrolliert, aber wer rechtsextreme oder rassistische Tendenzen erkennen lässt, kann nicht in den Reihen der Polizei bleiben.

Die Polizisten haben sich offenbar abfällig über Jalloh geäußert. Ein Ausnahmefall oder Regel bei Ihrer Polizei?

Die Polizei ist ein Spiegelbild der Gesellschaft, aber nach innen wie nach außen gilt hier das Prinzip: null Toleranz gegen Ausländerfeindlichkeit.

Inwieweit ist das Innenministerium auf die Angehörigen des Opfers zugegangen?

Ich habe nach meinem Amtsantritt mehrfach meine Trauer und meine Beschämung darüber ausgedrückt, dass ein Mensch in der Obhut der Polizei einen so schrecklichen Tod gestorben ist.

INTERVIEW: ANDREAS SPEIT